Bürger geißeln gegenüber Stadtverordneten die Verkehrsverdrängung im Nordend – Parteien streiten über Verkehrsversuch
Frankfurt – Gegen die Verkehrsberuhigung im Oeder Weg haben Bürger aus dem Nordend am späten Montagnachmittag im Mobilitätsausschuss protestiert. Den Stadtverordneten schlug breite Kritik entgegen, wie von Andreas Spaniol: „Wie konnten sie stillschweigend in Kauf nehmen, den Verkehr, der da ist, einfach in die Wohnstraßen zu verschieben?“
Seit die Stadt im vorigen Jahr die Durchfahrt im oberen Oeder Weg mit einer Diagonalsperre blockiert hat, an der nur Radfahrer durchkommen, müssen Autos über benachbarte Anwohnerstraßen ausweichen. Das sorgt seit Wochen für laute Proteste dortiger Bewohner. Auch berichten Einzelhändler von zurückgegangenen Umsätzen und machen die fehlende Erreichbarkeit und fehlende Parkplätze verantwortlich.
Übers „Verschieben des Durchgangsverkehrs“ in seine Straße habe er sich geärgert, sagt Anwohner Spaniol. Er sei froh über Verkehrsberuhigung und mehr Schutz für Radfahrer, verstehe aber nicht, warum der Verkehr einfach nur verdrängt werde. „Die Diagonalsperre war falsch“, so Anwohner Manfred Hermann. „Die Fahrzeuge lösen sich nicht in Luft auf, sondern weichen in die Nebenstraße aus.“ Dass die Bürger nicht einbezogen wurden, kritisiert Patrizia Israel.
Die Diagonalsperre sei, wie die ganze fahrradfreundliche Umgestaltung, zunächst nur temporär angelegt, erklärt Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). Wie lange der Versuch dauert, das muss er nach Rückfrage der Bürger zunächst von seinen Mitarbeitern heraussuchen lassen: zwei Jahre. Die Umgestaltung sei von den Stadtverordneten beschlossen worden mit den Stimmen der vorigen Koalition aus CDU, SPD und Grünen mit dem Beschluss zum Rad-Entscheid, also zum Ausbau des Radverkehrs in Frankfurt.
Davon habe sich Uwe Becker mit einer „180-Grad-Wende“ entfernt, kritisiert Uwe Schulz (FDP). „Becker hat keine Hemmungen, hier die Bürger zu belügen.“ Für den Vorwurf rüffelt Ausschusschefin Anna Pause (SPD) Schulz. Frank Nagel (CDU) widerspricht Majer und Schulz: Der Beschluss zum Rad-Entscheid habe nur das Prüfen der Umsetzbarkeit fahrradfreundlicher Nebenstraßen umfasst. Die Diagonalsperre einzubauen, habe die FDP in der Koalition mit Grünen, SPD, Volt beschlossen. „Die CDU hat die Diagonalsperre von Anfang an abgelehnt“, unterstreicht Nagel.
Grüne: Weitere Diagonalsperren nötig
Während die FDP Ja sagte, sagt Schulz nun aber Nein: „Das Instrument der Diagonalsperren ist völlig falsch, weil sie Ausweichverkehr produzieren.“ Das führe zu mehr Auto-Kilometern, mehr CO2-Ausstoß. Es sei „schmerzlich“, dass Parkplätze wegfielen, und diese Politik dürfe „nicht zu einem Vernichtungsprogramm für den Einzelhandel führen“.
Für weitere Diagonalsperren in benachbarten Straßen, um Ausweichverkehr zu unterbinden, sprechen sich Friederike von Franqué (Grüne) und Manfred Zieran (Ökolinx) aus. Dafür erntet Zieran laute „Nein“-Rufe von Bürgern. Volt-Fraktionschef Martin Huber fordert, erst nach dem Ende des Verkehrsversuchs Bilanz zu ziehen. An die Bürger gerichtet beteuert er: „Wir machen das nicht, um jemanden zu ärgern.“
In Umfragen hätten Bürger mehr Aufenthaltsqualität in Einkaufsstraßen gewünscht, so Grünen-Verkehrspolitikerin Katharina Knacker. Es gehe schneller, den Radverkehr auszubauen und Autoverkehr einzuschränken, als Bahn und Bus auszubauen, sagt Falko Görres (Die Fraktion). „Es braucht Mut, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen“, findet Daniela Mehler-Würzbach (Linke). Dennis PFeiffer-Goldmann