FRANKFURTER OSTEN – Zahl der Autos wird durch den Tunnel insgesamt steigen – aber nicht auf allen Straßen
Was stimmt denn nun? Auf der einen Seite sind die Gegner des Riederwaldtunnels. Sie sagen voraus, “wegen des Tunnels wird der Frankfurter Osten im Verkehrschaos versinken”. Diesen Satz hört man etwa von Rainer Frey, dem Sprecher der Bürgerinitiative Riederwald. Auf der anderen Seite sind die Befürworter, die sich vom Riederwaldtunnel erhoffen, dass etwa der ewige Stau am Erlenbruch ein Ende haben wird. Damit argumentiert beispielsweise die Frankfurter CDU. Sie forderte jüngst, die Besetzung des Fechenheimer Waldes zu beenden.
Denn: “Der Bau des Riederwaldtunnels wird weite Teile des Frankfurter Ostens in erheblichem Umfang von Verkehr entlasten.” Bringt der Tunnel also Verkehrschaos oder Entlastung?
Zu dieser Frage hat die Landesstraßenbehörde Hessen Mobil eine Verkehrsprognose in Auftrag gegeben. Die Firma “PTV Transport Consult” untersuchte 2017, welche Auswirkungen der Tunnel auf das Verkehrsaufkommen auf wichtigen Straßen des Frankfurter Ostens haben wird. Auf die Autobahnen A661 und A66, auf die Borsigallee, die Hanauer und die Friedberger, auf die Heinz-Herbert-Karry-Straße, den Ratsweg und die Straße Am Erlenbruch. Und nun das: Die Vertreter der Entlastungs- und der Verkehrschaos-These berufen sich beide auf diese Prognose.
40 Prozent mehr Wagen
Einerseits hat sie ermittelt, dass die Zahl der Autos und Lkw auf den Autobahnen mit dem Tunnel deutlich steigen wird. Andererseits heißt es: “Auf zahlreichen Zufahrtsstraßen im Frankfurter Osten sind deutliche Verkehrsentlastungen zu verzeichnen.” So werde sich der Verkehr auf der A66 vor der Abfahrt Borsigallee mehr als vervierfachen. Auf der A661 zwischen der Abfahrt Erlenbruch und Frankfurt Ost steige die Zahl der Autos um 40 Prozent, zwischen Abfahrt Ost und Kaiserlei um knapp sieben Prozent.
Auf vielen Straßen wird der Verkehr dagegen abnehmen. Auf dem Erlenbruch sinkt die Zahl der Autos um 36 Prozent, also um rund ein Drittel. Ebenso auf der Hanauer (25 Prozent weniger Fahrzeuge), auf der Heinz-Herbert-Karry-Straße (minus 21 Prozent) und auf der Friedberger (minus 19 Prozent). Auf dem Ratsweg dagegen werden 20 Prozent mehr Fahrzeuge unterwegs sein. Auf dem nördlichen Teil der Borsigallee steigt die Verkehrslast um rund ein Drittel.
Auch wenn viel mehr Autos durch die Stadt fahren werden, zeigt die Prognose: Ein Teil des Verkehrs wird sich von den Einfallsstraßen auf die Autobahnen verlegen – was ja die Idee des Riederwaldtunnels ist. Anwohner des Erlenbruchs und der Friedberger werden also entlastet. Für Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, ist das der entscheidende Punkt. Die Lücke zwischen der A661 und der A66 ist aus seiner Sicht “ein Planungsfehler der 70er Jahre”, der durch den Riederwaldtunnel “geheilt” werden muss. “Es kann doch nicht sein, dass wir mit der A66 eine sechs-spurige Autobahn haben, deren Verkehr die Borsigallee aufnehmen soll.” Damit das Projekt ein Erfolg werde, brauche es weitere Maßnahmen. So fürchte er, dass Autofahrer aus Fechenheim in die City über den Erlenbruch fahren, wenn sich dort die Lage entspannt. Damit nicht der eine Verkehr durch einen anderen ersetzt werde, müsse der Erlenbruch entsprechend gestaltet werden.
Rainer Frey von der BI Riederwald interpretiert die Zahlen ganz anders. Für ihn rechtfertigt ein Drittel weniger Verkehr auf dem Erlenbruch nicht den Lärm im Fechenheimer Wald. “Wenn ich mit meinem Kind zum Heinrich-Kraft-Park fahre, müssen wir weit raus fahren, bis wir keinen Autobahnlärm mehr hören.” Und nicht nur das. Wenn Frey von “Verkehrschaos” spricht, dann meint er auch die Zustände auf der A661. Die Verkehrsprognose sagt voraus, dass mindestens zähfließender Verkehr auf der A661 zum Alltag gehören wird. Trotz des sechsspurigen Ausbaus. In der Rushhour werde “das hohe Verkehrsaufkommen zwischen den Anschlussstellen Frankfurt-Ost und Friedberger Landstraße einen dichten, temporär gebundenen Verkehrszustand” bewirken. Autos würden dann nur mit Tempo 30 über die Autobahn tuckern. Ein Rückstau in den Riederwaldtunnel werde es aber nicht geben. Für Frey heißt das: “Die Sportler, die um 18 Uhr auf den Plätzen an der Autobahn trainieren, haben Pech gehabt.” Sie trainierten in den Abgaswolken.
Prognose ist zu pessimistisch
Nagel hält die Prognose für “rein theoretisch” und noch zu pessimistisch. Aus zwei Gründen: Erstens sei die Friedberger Landstraße in der Prognose noch als vierspurig betrachtet worden. Für den Autoverkehr werde sie also unattraktiver sein als angenommen. Zweitens hat sich die Frankfurter Stadtregierung vorgenommen, die Parkraumbewirtschaftung auf die ganze Stadt auszuweiten. In zehn Jahren, wenn der Riederwaldtunnel eröffnet wird, nutzten daher weniger Pendler das Auto.
Schlicht weil sie in Frankfurt nur schwer einen kostenlosen Parkplatz finden werden. Auch im Riederwald werde der Parkdruck durch Pendler an den Haltestellen Schäfflestraße oder Kruppstraße verschwinden.
Rainer Frey von der Bürgerinitiative Riederwald ist da skeptisch. Solange man mehr Straßen baue, werde die Zahl der Autofahrer nicht sinken. Solange der ÖPNV teurer ist, als mit dem Auto in die Stadt zu pendeln und im Parkhaus zu parken, werde sich nichts tun. “Wo sind denn die Vorschläge, wie der ÖPNV im Osten ausgebaut werden soll?” Diese Frage werde seit Jahren nicht verfolgt, weil ja der Tunnel kommen werde. Friedrich Reinhardt