Luftschadstoffe 2021 geringer trotz mehr Verkehrs – Umwelthilfe mahnt Ausbau von Alternativen an

Morgendlicher Berufsverkehr an der Theodor-Heuss-Allee – trotz Corona und vieler Pendler, die zu Hause bleiben.

Frankfurt – Dieselfahrverbote wird es in Frankfurt auch weiterhin nicht geben. Die Schadstoffe in der Luft sind laut hessischem Umweltministerium 2021 überall in der Stadt teils deutlich unter den Grenzwerten geblieben. Bei der Stadt mag man dennoch keine Entwarnung geben – und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt sogar: Die Luft sei weiterhin gesundheitsgefährdend.

Es war just die Umwelthilfe, die Land und Stadt mit einer Klage zu sauberer Luft drängte. 2019 setzte sie unter anderem durch, dass Frankfurt mehr Auto- in Radspuren umwandelt und beispielsweise ein Tempolimit von 40 Stundenkilometern auf den am stärksten belasteten Straßen in der Innenstadt erlässt – wie auf dem City-Ring, in der Berliner und der Battonnstraße. Als letztes Mittel sieht der Luftreinhalteplan seitdem Fahrverbote für alte Diesel vor.

Dreckigste Luft in der Mainzer Landstraße

Im zweiten Jahr in Folge sind nun die Schadstoffwerte beim Stickstoffdioxid, das unter anderem aus Autoabgasen stammt, gesunken. Das zeigen am Dienstag veröffentlichte Zahlen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). So sank der Jahresmittelwert in der Straße Am Erlenbruch um 13 Prozent von 39,5 auf 34,4 Mikrogramm. Zurück gingen die Werte auch in der Friedberger Landstraße von 33,9 auf 31,2 Mikrogramm und in der Battonnstraße von 39,8 auf 36,5 Mikrogramm. Spitzenreiter ist die östliche Mainzer Landstraße nahe Taunusanlage, wo erstmals gemessen wurde: 38,8 Mikrogramm.

An keiner Messstellen wurde der Grenzwert von 41 Mikrogramm erreicht. “Aufgrund der Messwerte sind vorerst in Frankfurt keine Fahrverbote erforderlich”, erklärt Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). “Diese Entwicklung ist erfreulich”, sagt HLNUG-Präsident Thomas Schmid. Allerdings sei sie auch auf den geringeren Verkehr in den Corona-Zeiten zurückzuführen.

Es werde “erst mal” keine Dieselfahrverbote geben, schränkt daher auch Wolfgang Siefert ein, Persönlicher Referent von Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). Zwar sei “das Ziel klar erreicht”, die Verbote zu verhindern. Doch sei die Verkehrsmenge auch 2021 noch nicht wieder auf dem Vor-Corona-Niveau gewesen. Jedes Quartal werde neu gemessen, bei einer Überschreitung könnten doch Verbote drohen. Siefert: “Das Thema ist noch nicht vom Tisch.”

Die guten Werte seien zudem Folge der Luftreinhalte-Maßnahmen wie Tempo 40 und des Ausbaus des Radverkehrs. Dies gelte es fortzuführen, sagt Siefert, gerade wenn der Verkehr nach Ende der Pandemie wieder zunehme. “Wir müssen achtgeben, dass wir nicht wieder über den Grenzwert kommen, sonst stehen wir da, wo wir vorher waren.” Aktuell liege die Verkehrsmenge von Autos und Lastern weiter unter dem Niveau vor der Pandemie.

EU-Grenzwerte bald noch viel strenger?

Die oppositionelle CDU ist erleichtert, dass Fahrverbote vermieden werden, sagt ihr Verkehrspolitiker Frank Nagel. Das gelinge auch, da sich der Fahrzeugmix ändere und mehr E-Fahrzeuge unterwegs seien. Die Römer-Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt habe aber viel Zeit verschenkt, um Bus, Bahn und Carsharing als Alternativen auszubauen. Nagel: “Da muss schnell viel mehr kommen.” Das sieht auch die DUH so. “Die Stadt muss jetzt die Weichen stellen, dass die Menschen ihr mit dem Ende der Pandemie wieder auflebendes Mobilitätsbedürfnis nicht im Auto ausleben, sondern auf dem Rad oder im ÖPNV”, fordert Fachreferent Robin Kulpa. Den aktuellen Erfolg reklamiert die Umwelthilfe für sich: “Unsere Klage hatte einen nachweislichen Effekt.” Dass die Luftreinhaltung jetzt ohne Fahrverbot gelungen sei, “freut uns”, sagt der DUH-Referent. “Die Drohung genügte offenbar.” Allerdings erinnert er: “Frankfurt musste ein bisschen hingetragen werden zur Verkehrswende.” Inzwischen habe die Stadt immerhin “recht gute erste Schritte” für den Ausbau von Radwegen und Nahverkehr unternommen. Das aber müsse jetzt noch beschleunigt werden, mahnt Robin Kulpa an. Denn aktuell arbeite die EU auf Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation bereits an einer Verschärfung der Grenzwerte: Sie sollen von 41 auf zehn Mikrogramm sinken. Diese reiße die Stadt an allen Messstationen, warnt der DUH-Referent. “Frankfurt hat noch immer eine Luftverschmutzung, die nachweislich krank macht.” Dennis Pfeiffer-Goldmann

Die Bürger haben Grund zu feiern

Alle in Frankfurt können aufatmen – und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Alle, die in der Stadt wohnen, die hier zu Fuß gehen, im Restaurant sitzen, Rad fahren. Denn binnen nur weniger Jahre ist die Luft wieder sauberer geworden. Offenbar hatte es des Fußtritts der Umwelthilfe bedurft, damit die Politik reagiert. Und mit dieser “Ausrede” konnte sie auch bei Autofahrern weniger populäre Dinge wie Fahrradspuren und das Tempolimit in der Innenstadt einführen. Das Damoklesschwert des Fahrverbots “überzeugte” manchen Kritiker. Allerdings haben Bürger und Politik nicht nur Dusel, dass Corona genau rechtzeitig den Verkehr und damit auch den Dreck abrupt abstoppte. Schließlich waren es die Machenschaften der Autokonzerne, die die Luft auch in Frankfurt mit viel zu dreckigen Abgasen der Schummeldiesel verseuchten. Der daraus resultierende Austausch ganzer Fahrzeugflotten dürfte den Löwenanteil zur Sauberkeit beigetragen haben. Und das hätte die Politik mit mehr Druck auch schon viel früher durchdrücken können. Zu feiern haben daher aktuell wirklich nur die Bürger.