Pläne für Multifunktionsarena in Frankfurt: Panikforscher warnt eindringlich

Nahezu ohne neue Verkehrswege plant die Stadt die Multifunktionsarena am Waldstadion. Nun spricht ein Panikforscher eine Warnung aus.

Frankfurt – Obwohl der Bundestag vor
Frankfurt -Vor einem nicht ausreichenden Ausbau der Verkehrswege rund ums Waldstadion für die dort geplante Multifunktionsarena warnt ein bekannter Experte für Mobilität in Stadien und Veranstaltungen: Michael Schreckenberg. „Von Anfang an müssen Entscheidungen getroffen werden, sonst ist das praktisch nicht mehr zu reparieren“, sagt der Professor für Physik von Transport und Verkehr an der Universität Essen-Duisburg.

Love-Parade-Gutachter: Bei gleichzeitigen Veranstaltungen „entsteht Chaos“
Der Panikforscher, der als Experte das Love-Parade-Unglück untersuchte, betont, dass beide Orte stark voneinander abhingen. Damit der Verkehr laufe, werde „eine ganz enge Abstimmung der Veranstaltungen nötig“, wenn Arena und Stadion nebeneinander lägen, sagt Schreckenberg. „Schlimm“ wäre es, wenn Veranstaltungen gleichzeitig beginnen oder enden, „dann entsteht sonst Chaos“. Und: „Gleichzeitige Veranstaltungen sind absolute No-Gos.“

Gutachten der Stadt, die bisher nicht öffentlich vorgestellt wurden, haben ergeben, dass die Kapazität von Straßen, Parkplätzen Straßenbahn- und Bahnstrecken für den Parallelbetrieb in Arena und Stadion nicht ausreichen. Um den zusätzlichen Verkehr abzuwickeln, genügen laut der Gutachter aber etwa zusätzliche Halte von Regionalbahnen und Bussen, mehr S-Bahnen und Busse, längere Trams, zwei neue Parkhäuser, mehr Fahrradparkplätze und der Bau einer einzigen Fahrspur am Nordkreisel der A3-Anschlussstelle Süd. Auf mehr Ausbau, etwa eine Tram-Strecke in der Mörfelder Landstraße, will die Stadt verzichten, weil solche Bauprojekte zu lange dauern.

Schienen-Anbindung nicht ausbauen? Den Fehler haben schon andere gemacht
Vor zu wenig Ausbau warnt Panikforscher Schreckenberg. „Das muss man gleich machen.“ Andere Städte wie Mönchengladbach hätten schon den Fehler begangen, nicht ausreichend in Infrastruktur zu investieren und damit die Probleme beim Transport der Zuschauer über Jahre und Jahrzehnte zementiert.

Die Sorge teilt Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Römer: „Die Notwendigkeit des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur fürs Waldstadion ist seit Jahren bekannt. Unabhängig vom Bau der Multifunktionsarena muss dringend mit dem Ausbau begonnen werden.“ Das Angebot bei S-Bahnen, Regionalzügen und Trams hochzufahren sei nicht mehr möglich, dennoch werde es immer wieder vorgeschlagen.

Bahnstrecke einkalkuliert, obwohl Regierungspräsidium schon Nein sagte
Das gelte auch für die in Bau befindliche Regionalstadtbahnstrecke der Regionaltangente West (RTW) nach Neu-Isenburg, Höchst, Bad Soden und Bad Homburg, warnt Eisenbahnexperte Georg Speck. 1100 Stadionbesucher pro Stunde sollen sie laut Gutachten nutzen. „Für Großereignisse im Waldstadion eignet sich die RTW mangels Verstärkungsmöglichkeit und zu geringer Taktfrequenz von nur 30 Minuten überhaupt nicht“, sagt Speck. Es drohten Verspätungen, die sich auf die mitbenutzten Strecken von S5, S6, S8 und S9 übertragen. Selbst das Regierungspräsidium Darmstadt hatte in der RTW-Genehmigung bereits klargestellt, dass diese nicht für den Stadion-Verkehr ausgelegt sei, die Stadt müsse andere Lösungen schaffen.
Ausgelastet seien auch die Straßenbahnstrecke via Uni-Klinikum und die Buslinie 80, sagt Frank Nagel. „Nur die Wiederinbetriebnahme der ehemaligen Straßenbahnstrecke über die Mörfelder Landstraße bietet eine deutliche Verbesserung des ÖPNV und damit eine Alternative zum Auto.“ Allein fürs Stadion sei der Wiederaufbau nötig, damit dürfe die Stadt nicht warten. „Ich frage mich,
ob allen klar ist, dass die Kosten für die notwendige Verbesserung der Verkehrsanbindung genauso hoch sein werden wie die Baukosten.“ In den Kosten von 260 Millionen Euro fehle der nötige Ausbau.

„Es ist wichtig, dass wir im Gebiet rund ums Stadion etwas tun“, räumt die Chefin der größten Fraktion der Koalition mit SPD, FDP und Volt im Römer, Katharina Knacker von den Grünen, ein. „Wir müssen so viele Menschen wie möglich in großen Gefäßen hinbringen“, in Bahnen und Busse. Mehr Frankfurter müssten per Fahrrad kommen, in den Autos müssten über Fahrgemeinschaften mehr Menschen sitzen. „Die Masse an Pkw wird zukünftig nicht mehr funktionieren“, warnt sie.

Grüne: Flaschenhals vermeiden wie bei Unglück auf Love Parade 2010
So richtig zufrieden mit den von Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) als Sportdezernent vorgelegten Lösungen wirkt Knacker nicht. „Die Gutachten weisen einen Weg“, seien aber „noch nicht in die Tiefe gegangen“. Und die Studien zeigten, dass „viel Geld in die Hand genommen werden muss“. Daher wolle ihre Fraktion bei der Arena „ein Auge darauf haben, dass es rentabel bleibt“.

In jedem Fall seien teure Projekte wie Brücken und Tunnel nötig, etwa weil ein Teil der Besucher künftig von der S-Bahn in Niederrad anderthalb Kilometer zum Stadion laufen soll. Knacker ahnt, dass ein stärkerer Ausbau von Fußwegen etwa an der Otto-Fleck-Schneise nötig wird, als es die Gutachter vorsehen. „Damit dort kein Flaschenhals entsteht wie in Duisburg.“ Bei der Love Parade 2010 starben 21 Menschen in einer Engstelle eines Zugangswegs. Die Mobilität sei der große Knackpunkt, sagt Knacker: „Wir können die Arena erst bauen, wenn das Verkehrliche geklärt ist.“