Umsatzeinbruch am Radweg
Geschäfte an der Eschersheimer Landstraße spürten die schlechtere Erreichbarkeit durch Autofahrer, warnt die IHK nach einer Umfrage. Manche stünden vor der Schließung.
Fünf Monate nachdem an der Eschersheimer Landstraße stadtauswärts eine Fahrradspur markiert worden ist, verzeichnen viele der dortigen Geschäfte einen Umsatzrückgang. Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt in einer eigenen Umfrage. Der neue Abschnitt des Radwegs beginnt nördlich des Polizeipräsidiums und reicht bis zu Hügelstraße. Vor allem zu beiden Seiten der Einmündung des Marbachwegs gibt es am Dornbusch viele kleinere Geschäfte. Von 26 bekam die IHK eine Rückmeldung. Sie alle haben im Erdgeschoss eine Ladenfront.
Sechs der Geschäftsleute hätten seit Schaffung des Radwegs keine Veränderung bemerkt, 20 jedoch von Umsatzrückgängen um bis zu 40 Prozent berichtet. Acht Betriebe könnten schon jetzt nicht mehr rentabel wirtschaften, zwei prüften die Geschäftszahlen noch, und neun Inhaber dächten darüber nach, ihr Geschäft abzugeben, sich einen neuen Standort zu suchen oder zu schließen.
Die von der Kammer zitierten Beschwerden zeigen, dass offenbar Befürchtungen eingetreten sind, die viele der Geschäftsleute schon vor der Markierung des Radwegs in den vergangenen Herbstferien geäußert hatten. Dem Inhaber eines Barbershops fehlen die Kunden aus dem Taunus, die auf dem Weg von der Arbeit hier gehalten hätten. Aber auch Stammkunden fänden keinen Parkplatz mehr. Die Inhaberin von „Blumen Dornröschen“, Vladka Schäfer, musste nach eigenen Worten den Lieferanten wechseln, weil ihr der bisherige aus den Niederlanden mangels Haltemöglichkeit gekündigt habe. Jetzt müsse sie teurer einkaufen. Als besonders prekär bezeichnet die Kammer die Lage der Geschäfte zwischen Eduard-Rüppell-Straße und Spenerstraße. Dort befindet sich das, was eine lokale Infrastruktur ausmacht: ein Metzger, ein Obst- und Gemüseladen, ein Modegeschäft, ein Drogeriemarkt und ein Getränkehandel. Keines der dortigen Unternehmen gebe an, noch rentabel zu sein, teilt die IHK mit. Alle Befragten dächten darüber nach, zu schließen oder einen neuen Standort zu suchen. Entlang dieses Straßenabschnitts durften Autos vorher tagsüber halten. Der Haltestreifen ist durch den Radweg ersatzlos weggefallen, weil die Straße hier zu eng ist.
IHK-Vizepräsidentin Susanne von Verschuer bezeichnet die Situation als ernst. „Zahlreiche Unternehmen, die auch eine wichtige Nahversorgungsfunktion im Dornbusch übernehmen, stehen vor dem Aus.“ Viele der von der Kammer vorgeschlagenen Anpassungen hätten nicht dazu beitragen können, die Lage zu entschärfen. Anita Schwarz, Inhaberin von „Pelze am Dornbusch“, vermisst eine Nachfrage des Verkehrsdezernats nach den Auswirkungen auf das Geschäft oder nach Änderungsvorschlägen. „Nur ein Metallpoller wurde durch einen Plastikpoller ersetzt, weil der dauernd umgefahren wird.“
Ein Teil der Unternehmen stehe dem Radweg auch neutral gegenüber oder befürworte den Ausbau der Radwege, heißt es in der Mitteilung der Kammer. Einen positiven Effekt auf Umsatz oder Kundenfrequenz habe jedoch niemand beobachten können. Verschuer nimmt die Stadt beim Wort, wonach die Neugestaltung evaluiert und gegebenenfalls nachjustiert werde. „Dieser Prozess sollte ergebnisoffen sein und darf auch einen Rückbau nicht ausschließen“, so die IHK-Vizepräsidentin.
Für Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen) kommt die Forderung zu früh. „Der Radweg existiert noch kein halbes Jahr.“ Um die Auswirkungen seriös bewerten zu können, sollte mindestens ein Jahr vergangen sein, da Verhaltensänderungen Zeit benötigten. Aus verkehrlicher Sicht lasse sich aber schon jetzt sagen, dass der Verkehr entgegen vieler Befürchtungen meist reibungslos laufe. Das habe man prognostiziert. „Die wirtschaftlichen Sorgen der Gewerbetreibenden nehmen wir natürlich ernst“, so Siefert. Wie angekündigt werde man sich nach einem halben Jahr, also nach den Osterferien, mit dem Ortsbeirat, den Geschäftsleuten an der Eschersheimer Landstraße und den Wirtschaftsverbänden zusammensetzen, um die Entwicklung zu besprechen. Dazu lade man in Kürze ein.
Die CDU hingegen fordert „sofortiges Handeln“ des Mobilitätsdezernenten. „Sicherheit für Fahrradfahrende ist ein wichtiger Aspekt der Verkehrspolitik, doch dies darf nicht nur auf Kosten der Gewerbetreibenden und Anwohner geschehen“, so der mobilitätspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, Frank Nagel. Der neue Radweg sei ohne ausreichende Abstimmung mit den Betroffenen realisiert worden. Der Magistrat solle die versprochene Evaluation sofort vornehmen.