„Uns blieb am Ende keine Wahl“
Nach der Sperrung der Omegabrücke in Griesheim fragen sich viele Anwohner, wie es weitergeht. Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert plant einen Abriss binnen Wochen.
Die Omegabrücke treibt die zwei Neunzehnjährigen vor dem Griesheimer Penny an den Bahnschienen um. „Wissen Sie, was passiert ist?“, fragt der eine, der sich als Gova vorstellt. 20 Minuten länger braucht der andere, Francesco, seit Montag zur Arbeit. Statt S-Bahn muss er mit Bus und Straßenbahn fahren. Um mit dem Auto den südlichen Teil Griesheims zu verlassen, gibt es nur noch eine Straße mit Bahnübergang. „Diese Schranke, das ist Banane, ich schwöre“, sagt Gova. „Die geht auf und zu, wann sie will. Da ist Stau.“
Die überraschende Sperrung der Omegabrücke in Frankfurt-Griesheim und der darunter verlaufenden Bahntrasse am vergangenen Freitag hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Westlich der Brücke liegt der Bahnhof Griesheim, noch weiter westlich die Elektronstraße mit besagter Schranke. Die ist weiterhin in Betrieb, weil noch vereinzelt Züge vom Griesheimer Bahnhof in Richtung Höchst fahren. In Richtung Osten verkehrt gar nichts mehr. Und oben auf der Brücke sowieso nicht. Nur auf halber Höhe stehen an diesem Nachmittag drei Mitarbeiter des Straßenbauamts und überlegen, was sie noch aufstellen können, damit wirklich niemand die Brücke betritt.
Richtig angekommen ist die Nachricht noch nicht bei allen Griesheimern, bei Auswärtigen erst recht nicht. Im Sekundentakt wenden Autos vor den rot-weißen Baken. Deren Fahrer dürften die Hauptleidtragenden sein, Fußgänger und Fahrradfahrer können immerhin noch die Unterführung der Bahnschienen nutzen, allerdings ohne Aufzug. „Ich habe kein Auto, insofern tangiert es mich nicht“, sagt ein 54 Jahre alter Anwohner, der im Süden Griesheims wohnt. Ein anderer, 63 Jahre alter Anwohner ist auf dem Nachhauseweg und hievt sein Fahrrad die Treppen hinunter. „Es gibt für Rollstuhlfahrer überhaupt keine Möglichkeit, hier runter- oder hochzukommen“, sagt er. „Für Frankfurt ist das ein Trauerspiel.“ Über die Brücke seien in den Jahren, in denen eine Begrenzung von 7,5 Tonnen gegolten habe, schwerere Lastwagen gefahren. „Die sind halt drüber – und jetzt ist die Brücke kaputt.“
Was wirklich der Grund für die Brückenschäden ist, kann Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen) zwei Stunden später in Höchst in der Ortsbeiratssitzung für den Frankfurter Westen noch nicht sagen. Die Rissentwicklung deute darauf hin, dass im verbauten Stahl ein „kristalliner Korrosionsprozess“ vor sich gehe, der das Metall von innen verändere. Möglich sei, dass die Hitzewellen der vergangenen Jahre der Konstruktion zugesetzt hätten. Anders als das Straßenbauamt, das zunächst von keiner akuten Einsturzgefahr gesprochen hatte, äußert Siefert, die Brücke könne spontan zusammenfallen. „Uns blieb am Ende keine Wahl.“ Zwar sei die 1973 gebaute Brücke erst 2015 saniert worden, allerdings nicht statisch. Sie hätte damals noch etwa 20 Jahre halten sollen.
Besonders gravierend sei die Stilllegung der Bahnstrecke. Deshalb habe er einen Notrückbau ohne europaweite Ausschreibung angeordnet, für den er derzeit eine Fachfirma suche. Zumindest der Teil der Brücke über den Schienen solle binnen Wochen abgerissen werden, damit die Züge wieder fahren könnten. Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Römer, erwidert, dass die angestrebte schnelle Wiederaufnahme des Schienenverkehrs auch Nachteile habe. Die Schließzeit des Bahnübergangs läge dann wieder bei mehr als 40 Minuten je Stunde. „Wenn es auf der Schiene läuft, wird es eine Katastrophe auf der Straße.“
Die Stadt will in den kommenden Tagen Schilder für die Umfahrung der Omegabrücke aufstellen. Wann sie neu aufgebaut wird, ist unklar. „Ich hoffe, dass wir es schneller hinkriegen“, sagt Siefert zur Anmerkung eines Anwohners, dass das doch sicher fünf Jahre dauern werde. Wie lange die Fußgänger und Fahrradfahrer das südliche Griesheim noch ohne Wartezeit erreichen können, ist unklar: Im Jahr 2024 sollte eigentlich der Umbau des Griesheimer Bahnhofs nach mehrmaliger Verschiebung beginnen. Davon wäre auch die Unterführung betroffen.
(Kim Maurus)