Der große Ärger mit den kleinen Rollern

Stadt bekommt Probleme mit E-Scootern nicht in den Griff – Könnte eine Ausschreibung helfen?

Überall in der Stadt wie hier in der Braubachstraße stehen sie im Weg herum: E-Scooter haben sich zu einer Plage entwickelt. Die extra freigemachten und ausgeschilderten Parkplätze – erkennbar direkt im Hintergrund – ignorieren die Nutzer wie auch die Verleihfirmen.

Frankfurt – Vor der Flut der wild geparkten und wild herumrasenden E-Scooter scheint die Stadt zu kapitulieren. Das ist zumindest der Eindruck, den viele Fußgänger, Rad- und Autofahrer auf den Straßen haben. „Wir sind auch nicht zufrieden mit der Situation“, sagt Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). Doch grundlegend könne die Kommune das Ärgernis nicht in den Griff kriegen, räumt er ein.

Wie dieses Ärgernis entsteht, zeigt sich an einem frühen Abend auf dem Opernplatz. Über die Fußgängerfläche braust eine junge Frau auf einem grünen Leih-E-Roller heran – was schon unzulässig ist. Zwischen zwei Pollern stoppt sie das Gefährt, steigt ab, zückt ihr Smartphone, beendet binnen zwei, drei Sekunden die Miete per Knopfdruck, dreht sich um und geht. Der Reporter fragt schnell nach: Warum sie just dort geparkt habe? Die junge Frau schaut den Reporter verdutzt an. „Wo halt Platz ist“, erklärt sie und geht weiter.

Abgestellt hat sie den E-Scooter in dem Durchgang neben der Rolltreppe, die in die U-Bahn-Station und zur Toilette hinunterführt. In den nächsten Minuten und Stunden werden wohl Dutzende Fahrgäste um das Fahrzeug und den daneben stehenden Poller herumlaufen müssen. Immerhin: Hier ist es hell genug, damit jeder das Hindernis erkennt. Zumindest wenn man gut sieht.

Bannmeilen brauche es rund um die Nahverkehrsstationen, fordert Hannes Heiler von der Frankfurter Behinderten-Arbeitsgemeinschaft. „Eine Bannmeile ist rechtlich nicht möglich“, seufzt Majer.

 

Markierte Stellplätze sind vielen Nutzern egal

Gegen das wilde Parken gehe die Stadt ja seit Monaten vor und markiere Stellplätze, etwa an der Berliner Straße. In 100 Metern Umkreis um diese Flächen darf kein E-Scooter mehr wild geparkt werden, so schreibt es die Stadt den Verleihfirmen vor. Allein: Viele Kunden halten sich nicht daran, und die Verleihfirmen setzen die Vorschrift nicht durch. „Und unsere Kontrolle scheitert an fehlendem Personal für die Verkehrsüberwachung“, sagt Majer. Die Stadt sucht händeringend Verkehrspolizisten. Folge: Die E-Scooter stehen auch in der Berliner Straße gerne genau neben dem E-Scooter-Parkplatz statt auf der eigens markierten Fläche.

Warum aber klappt es nicht mit dem Eindämmen der Scooter-Seuche? „Den Städten fehlt ein scharfes rechtliches Schwert, um vorzugehen“, erklärt Stefan Majer. Das habe der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ignoriert, als er die E-Scooter 2019 zuließ. Selbst heutige Möglichkeiten, den Verleihfirmen Vorgaben zu machen, hätten sich die Städte erst mühevoll vor Gericht erkämpfen müssen.

„Die Frankfurter Koalition und der grüne Verkehrsdezernent haben hier seit über einem Jahr nichts erreicht“, kritisiert Frank Nagel, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer. Der bisherige Weg, das Gebaren der bis zu sechs Roller-Firmen über Sondernutzungserlaubnisse und freiwillige Selbstkontrolle in den Griff zu bekommen, funktioniere nicht. Stattdessen schlägt die CDU vor, das Problem mit einer limitierten Zulassung von Anbietern in den Griff zu bekommen. Die aktuell mindestens 10 000 Leih-E-Scooter in der Stadt seien einfach zu viele, findet Frank Nagel. In Paris, London und Leipzig habe es solche Ausschreibungen schon gegeben.

Pläne für ein solches Verfahren hat man im Verkehrsdezernat schon lange in der Schublade. Der Dezernent hatte aber zunächst den Weg über feste Stellplätze und Vorgabe einer Sondernutzung eingeschlagen, da er sich davon eine schnellere Besserung der Lage erhofft.

Doch nur ein einziger Anbieter arbeitet bisher konstruktiv mit und fordert von Nutzern wenigstens ein Foto vom korrekt geparkten Roller. Ein anderer Anbieter, Bird aus Miami, hat sich mangels Erfolg gerade aus dem deutschen Markt zurückgezogen. Mit Bird, heißt es aus dem Dezernat hinter vorgehaltener Hand, sei es am schlimmsten gewesen. Angesichts des Ärgers reagiert Majer inzwischen vor allem enttäuscht: „Es gibt nicht nur Rüpel, sondern die E-Scooter sind wichtig, weil viele normale Nutzer sie für die Nahmobilität nutzen.“

Auf Dauer aber scheint man sich auch im Römer die jetzige Lage nicht mehr anschauen zu wollen. Dezernent Majer kündigt jetzt an: „Wir werden in den nächsten Monaten vorstellen, wie die Stadt vorgehen wird.“ Das Problem: Auch die Ausschreibung könnte womöglich nicht das Allheilmittel sein. In Paris nämlich hat sich die Lage nicht verbessert. Die französische Hauptstadt denkt jetzt darüber nach, den E-Scooter-Verleih einfach zu verbieten.

Dennis Pfeiffer-Goldmann