Nur in Berlin fährt es sich langsamer als in Frankfurt

Der Stauindex von Tomtom führt zu Kontroversen in Frankfurt: IHK, BFF-BIG und CDU stehen zunehmend kritisch zur Verkehrspolitik.

Frankfurt – Wer mit dem Auto durch Frankfurt fährt, braucht für eine Strecke von zehn Kilometern eine halbe Minute länger als noch vor einem Jahr. Zu dieser Erkenntnis kommt der Navigationsgerätehersteller Tomtom bei der jährlichen Verkehrsmessung. Sie vergleicht deutsche, europäische und auch weltweit Städte miteinander.

Autofahrer und -fahrerinnen in Frankfurt brauchen nun 26 Minuten und 27 Sekunden für die zehn Kilometer lange Strecke. Mehr Zeit brauchen sie deutschlandweit nur in Berlin.

Bei der Stauzeit liegt Leipzig mit 84 Stunden vorn
Das Plus bei der Fahrtzeit ist deutschlandweit in Kiel am höchsten. Dort brauchen Autofahrende nun eine Minute länger als noch vor einem Jahr. Dann folgen Hamburg und Bochum mit 50 Sekunden zusätzlich.

Die Zeit im Stau pro Jahr ist eine weitere Vergleichsgröße. Hier liegt Leipzig auf der Spitzenposition. Die Menschen stehen demnach pro Jahr 85 Stunden im Stau. In Berlin und Nürnberg sind es 84 Stunden; in München und Frankfurt 80 Stunden.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main, zuständig für Hochtaunuskreis, Main-Taunus-Kreis und Frankfurt, nimmt den Stauindex zum Anlass für eine allgemeine Kritik an der Frankfurter Verkehrspolitik.

„Damit bestätigen sich Aussagen von Speditionsunternehmen, die berichten, dass sie immer langsamer im Stadtverkehr vorankommen“, teilt die Interessenvertretung mit.

IHK sieht Radwege an Hauptstraßen kritisch
Entsprechende Rückmeldungen kämen auch von Unternehmen, die im Stadtgebiet unterwegs seien, um Lieferungen auszufahren oder Dienstleistungen bei den Kundinnen und Kunden zu erbringen.

„Hier addieren sich die verlängerten Fahrzeiten über das Jahr hinweg. Und es verringert sich die Zahl der möglichen Kundentermine oder Lieferungen, und die Kosten für die Leistungen steigen“, sagt Susanne von Verschuer, Vizepräsidentin der IHK Frankfurt. Sie befürchtet, dass Kundinnen und Kunden nun seltener zum Einkaufen nach Frankfurt fahren und sich Einkaufsmöglichkeiten außerhalb der Innenstadt suchen könnten.

„All das schadet dem Wirtschaftsstandort Frankfurt.“
Ein Dorn im Auge ist der IHK Frankfurt unter Präsident Ulrich Caspar die Umgestaltung von Hauptstraßen, die teilweise auch Infrastruktur für den Radverkehr erhalten haben. Das sorgt aus IHK-Sicht nicht für weniger Autoverkehr, sondern für mehr Staus und Emissionen. „All das schadet dem Wirtschaftsstandort Frankfurt. Der Fokus der Verkehrspolitik sollte daher in Zukunft auf der Ausweitung des ÖPNV-Angebots in und nach Frankfurt liegen.“

Die eher rechte Fraktion BFF-BIG im Römer stimmt der IHK-Position zu. „Dass Autos sich nicht in Luft auflösen, wenn man ihnen Fahrspuren entzieht oder sie gar komplett aussperrt wie am nördlichen Mainufer, wird von grünen Verkehrsideologen offenbar ausgeblendet“, teilt Mathias Pfeiffer, der Fraktionsvorsitzende von BFF-BIG, mit.

Die Grünen setzen auf neues Verkehrsleitsystem
Er leitet aus den Verkehrsdaten von Tomtom ein „mobilitätspolitisches Komplettversagen“ der Römer-Koalition ab. Die Stausituation in Frankfurt sei hausgemacht, „maßgeblich verschuldet vom grünen Mobilitätsverhinderungsdezernenten“, meint Ingeborg Leineweber (BFF).

Die Grünen weisen diese Darstellung von sich. 2023 hätten sich die Stauzeiten in Frankfurt laut Tomtom noch reduziert, und das trotz des Radwegeausbaus, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Knacker. Nun seien die Fahrtzeiten wieder leicht nach oben gegangen, „was natürlich niemand wünschen kann“.

Das zeige aber nur, dass die Menschen wieder häufiger ins Büro fahren würden und die Stadt insgesamt wachse, sagte sie. Etwa mit dem Quartier Four mit vier Hochhäusern in der Innenstadt, wo neben Hotels und Büros auch Wohnflächen sind.

Die Stadtverordneten hätten zuletzt eine halbe Million Euro für das Verkehrsleit- und Informationssystem eingestellt. Es soll das alte Parkleitsystem ersetzen, das in die Jahre gekommen war und abgeschaltet wurde. Das neue Leitsystem werde den Parksuchverkehr verringern und damit wohl auch die Staubilanz verbessern, sagte Knacker. „Es ist auf jeden Fall nicht hilfreich, alles auf die Radwege zu schieben, denn die gab es auch schon 2023, als sich die Stauzeiten laut Tomtom verbesserten.“

Kritik von CDU-Politiker Frank Nagel
Frank Nagel, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, hofft auf das neue Verkehrsleitsystem. Er fragt aber, warum die Einführung nicht schon kam, bevor die Stadt das alte System abschalten musste.

Das sei ein Versäumnis des Mobilitätsdezernats. Auch bei Anschaffung neuer Straßenbahnwagen müsse das Dezernat Druck machen, Die VGF wartet seit langem auf die 40-Meter-Straßenbahnen von Alstom.

Um den Pendlerinnen und Pendlern ein besseres Angebot zu machen, müsse die Stadt eigene Flächen für P+R bereitstellen, sagte Nagel. Der Mobilitätsdezernent müsse außerdem auf die Kommunen zugehen und ihnen etwas bieten. Von sich aus würden sie sicherlich kein P+R ausbauen, nur weil Frankfurt sich das wünsche.

Das Dezernat sieht Verbesserung im Vergleich zu 2022
Das Mobilitätsdezernat teilte mit, die Reisezeiten in Frankfurt seien laut Tomtom 2024 20 Sekunden geringer gewesen seien als noch 2022. Die neue Verkehrsauswertung von Inrix zeige wiederum, der Verkehr habe in den meisten deutschen Städten zugenommen, in Frankfurt allerdings weniger als im bundesweiten Vergleich.

In Frankfurt hätten teilweise private Baustellen für längere Reisezeiten gesorgt. Den Verkehr auf der Berliner Straße, die oft als Staumeile tituliert wird, habe das Dezernat im Blick.