9 Geisterfahrer in 10 Minuten: Neue Fahrradstraße in Frankfurt sorgt für Ärger

Oeder Weg, Teil 2: Auch im Grüneburgweg gibt es Probleme mit der fahrradfreundlichen Umgestaltung und dem sie umgebenden Schilderwald.

Frankfurt – Trotz Widerständen gegen die Fahrradstraße im Oeder Weg im Frankfurter Stadtteil Nordend macht die Stadt weiter mit solchen Umbauten. Auch im Grüneburgweg im Westend gibt es seit Ostern deutliche Einschränkungen für Autos. Auch hier schimpfen Gewerbetreibende.

Im östlichsten Abschnitt ab der Eschersheimer Landstraße ist der Grüneburgweg seit bald vier Monaten Einbahn- und Fahrradstraße. Dennoch rauschen Geisterfahrer nahezu im Minutentakt am Sperrschild an der Kreuzung zur Straße Im Trutz vorbei. Eine junge Autofahrerin hupt aus einer Einfahrt heraus einen Geisterfahrer an. „Jedes Mal“ passiere das, erklärt sie. „Die Leute verstehen es einfach nicht.“

Fahrradstraße in Frankfurt sorgt für Ärger: Neun Geisterfahrer in zehn Minuten

Das liegt unter anderem am großen Schilderwald, in dem die Durchfahrt-verboten-Schilder untergehen. Das sei alles rechtlich notwendig, um Parkplätze für Autos, Fahrräder, E-Scooter, Lieferanten zu beschildern, sagt Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne). So rollen an diesem Wochentagsmorgen gegen 10 Uhr binnen zehn Minuten illegal neun Fahrzeuge geradeaus. Hinter einem fährt ein Auto der städtischen Verkehrspolizei. Es biegt in den Trutz ab. Nicht jeder Geisterfahrer wendet, einige steuern zielgerichtet Einfahrten an. Ein Lkw und Motorroller quetschen sich durch bis zur Eschersheimer.

Ein Stück weiter steht ein Getränkelaster auf der Fahrbahn. Daneben ist ein Kleinwagen in der Lieferzone geparkt. „Passiert oft“, sagt der Lastwagenfahrer. 31 motorisierte Fahrzeuge rollen binnen zehn Minuten durch den Einbahnbereich – und nur 23 Radfahrer, obwohl jene in beide Richtungen fahren dürfen.

Finaler Umbau im Frankfurter Oeder Weg beschlossen

Diese volle Freiheit haben Radfahrer auch schon im Oeder Weg. Den gestaltete die Stadt seit 2021 um und sieht das als Erfolg an. Eine Ortsbeiratsmehrheit aus Grünen und linken Kräften hat jüngst den finalen Umbau beschlossen. Einige Gewerbetreibende kritisieren den Umbau heftig, ebenso Anwohner aus Nachbarstraßen. Dort hat der Verkehr teils stark zugenommen.

Vom Grüneburgweg her bekommt die Straße Am Trutz nun viel mehr Verkehr ab. „Mittags besonders, wenn Eltern ihre Kinder von der Schule abholen“, sagt Can Badan, Juniorchef von Badans Frischemarkt. „Abends in der Rushhour kommen wir nicht mehr aus der Einfahrt heraus.“ Was ihn am meisten trifft: „Es gibt jetzt viel zu wenige Parkplätze.“ Auf vielen finden sich Fahrräder, auf einigen Außengastronomie. Vorm Rewe-Markt sind Ex-Parkplätze abgepollert, die Fläche ist ungenutzt. Auch blockierten reichlich private Baustellen die Parkmöglichkeiten, klagt Badan. Um seinen Laden gebe es statt neun nur noch zwei.

Umbau von Oeder Weg sorgt für schlechte Erreichbarkeit: „Da ist einiges an Kundschaft weggefallen

Badans Frischemarkt ist besonders in der jüdischen Community beliebt, die Hälfte der Kunden komme nicht aus dem Viertel. „Die kaufen nicht so klein ein, dass es zu Fuß oder per Fahrrad transportiert werden könnte.“ Schlechtere Erreichbarkeit und fehlende Parkplätze beeinflussten das Geschäft stark. „Da ist einiges an Kundschaft weggefallen.“

Diese Klagen ähneln denen im Oeder Weg. Hier wie dort hält die fahrradfreundliche Umgestaltung offenbar Alt-Kunden fern, die per Auto kommen, um auch schwerere oder sperrige Güter zu kaufen – wie Wein von Andreas Dresch. „Mir sagen viele, dass sie seltener kommen, weil man schlechter herkommt“, sagt der Weinhändler. Ja, es kämen etwas mehr Kunden zu Fuß und per Fahrrad. „Aber die nehmen immer nur eine oder zwei Flaschen mit, das gleicht nicht aus.“ Dresch und Badan führen die Interessengemeinschaft Grüneburgweg. Beide räumen ein: Um beurteilen zu können, ob Geschäfte wegen des Umbaus aufgeben müssen, sei es noch zu früh.

Einzelhändler in Frankfurt sieht nur „ein Fünkchen Positives“ – Mobilitätsdezernent zufrieden

Zufrieden ist Mobilitätsdezernent Siefert aber schon jetzt. „Wir haben aus der Kommunikation am Oeder Weg gelernt.“ Anwohner und Gewerbetreibende seien unterschiedlich intensiv angesprochen worden. Siefert: „Mir liegt das Wohl der Wirtschaft sehr am Herzen.“ Und gerade verhandele die Stadt mit übergeordneten Behörden, ob sie nicht auf einige Schilder verzichten könne.

Mitgetragen hat die Umgestaltung 2019 auch die CDU. „Wir haben aber nur fahrradfreundliche Nebenstraßen beschlossen, keine Fahrradstraßen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Frank Nagel. „Das ist ein großer Unterschied.“ Es sei zwar wichtig, Radfahren sicherer zu machen. Es brauche aber eine „ganzheitliche, gute Lösung für alle auf der Straße“. Vor allem sei es falsch, den Verkehr in die Nebenstraßen zu drücken. Das zeigten die negativen Reaktionen aus dem Umfeld des Oeder Wegs klar.

Die stärkste Einschränkung im Grüneburgweg hat wohl der Widerstand der Einzelhändler verhindert. Wie im Oeder Weg wollte die Stadt die Durchfahrt diagonal sperren. Dann wären alle Autos durch den Trutz in die Wohngebiete abgeleitet worden. „Das wäre das Todesurteil gewesen“, sagt Can Badan. Dass die Diagonalsperre nicht kam, sei aber auch nur „ein Fünkchen Positives“.