Verkehrsausschuss nimmt bundespolitische Debatte über Entkriminalisierung und soziale Aspekte auf
Frankfurt – Bei der Entkriminalisierung von Schwarzfahren wird Frankfurt auf eine Vorreiterrolle verzichten. Das hat Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) in der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschusses der Stadtverordneten durchblicken lassen. Er räumt aber ein: Im Thema „ist bundespolitisch Bewegung drin“.
Ohne Fahrschein zu fahren, sei doch keine Straftat. Lieber solle sich die Stadt darum kümmern, dass die Fahrpreise in Frankfurt sinken, findet Raik Hohmann vom „Klima-Entscheid“. Die „maximal teuren Einzelfahrkarten“ hätten „astronomische Höhen erreicht“, kritisiert er in der Bürgerfragestunde des Ausschusses.
Tatsächlich hat die Stadt zu Jahresbeginn die viele Jahre lang auf Geheiß von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) stark subventionierten Preise für Einzelfahrten auf das Standard-Niveau im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) angehoben. Zu laut hatten sich zuvor Stammkunden beschwert, weil sie hohe Preise für Jahreskarten zu zahlen hatten, während die Stadt Gelegenheitskunden massiv förderte. Die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt führte stattdessen hohe Rabatte für arme Menschen ein, die einen Frankfurt-Pass besitzen. Mit dem Hinweis aufs Schwarzfahren gibt der Bürger das Stichwort für Daniela Mehler-Würzbach von der Linke-Fraktion. Die hat zum wiederholten Mal beantragt, das solle nicht länger als Straftat geahndet werden. „Menschen ohne Fahrschein sollten keine Strafanzeige mehr erhalten“, fordert sie. „Frankfurt kann mit pragmatischem Beispiel vorangehen.“ Die Anzeigen träfen bisher zu 87 Prozent Arbeitslose, zu 15 Prozent Wohnsitzlose. Es gehe also um eine „sehr verletzliche Gruppe von Betroffenen“.
Schwarzfahren ist im Paragraf 265a des Strafgesetzbuches als „Erschleichen von Leistungen“ mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis belegt. Immerhin 8000 bis 9000 Menschen pro Jahr würden in Frankfurt ohne Fahrschein ertappt, erinnert Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Einige träten eine Ersatzfreiheitsstrafe an, obwohl die Stadt sehr günstige Sozialtickets anbiete. „Das ist eine sozialstaatliche Thematik.“ Folge man der Argumentation der Linke, „dann muss auch der Ladendiebstahl von Grundnahrungsmitteln straffrei werden“, findet der Christdemokrat. „Es ist ein falsches Signal an die ehrlichen Fahrgäste, wenn es keine Konsequenzen gibt für die, die sich unsolidarisch verhalten.“ Anders herum sieht es Volt-Fraktionschef Martin Huber: Schwarzfahrer würden mit der Strafanzeige gegenüber Falschparkern ungleich behandelt.
Selbst FDP-Verkehrspolitiker Uwe Schulz hält „die Ausuferung des Strafrechts nicht für sinnvoll“. Das zu ändern, sei aber eine bundespolitische Frage. Vor allem lehnt er die „gesellschaftsrechtliche Übergriffigkeit“ der Linken ab, in die Arbeit der städtischen Verkehrsgesellschaft VGF eingreifen zu wollen. „Das obliegt der Geschäftsführung, ob sie Strafanzeige stellt, ob sie das immer macht oder nur bei notorischen Schwarzfahrern.“ Schulz regt an, auch einmal darüber nachzudenken, die Geldstrafe fürs Schwarzfahren „deutlich zu erhöhen“.
Tatsächlich werden aktuell auf Bundesebene Stimmen laut, die das Schwarzfahren entkriminalisieren wollen. So hat sich jüngst die SPD-Bundestagsfraktion dafür ausgesprochen. „Wir wollen den Tatbestand der Leistungserschleichung in § 265a StGB ersatzlos streichen“, heißt in einem Positionspapier, aus dem die Berliner Zeitung Tagesspiegel zitiert.
Die Entwicklung will Dezernent Siefert aber abwarten. Es sei „keine gute Lösung“, die VGF anzuweisen, keine Strafanzeigen mehr zu stellen. Das führe dann zu einem Flickenteppich, wenn etwa zwischen Konstablerwache und Hauptwache Fahrgäste bei Kontrollen in der U-Bahn anders behandelt würden als in der S-Bahn. Dennis PFeiffer-Goldmann