OB, Koalition, Opposition vereint: Bund und Land müssen bei Verkehrswende helfen

Frankfurt – Die Extra-Erhöhung der Fahrpreise des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) ärgert viele Fahrgäste. Aus der Stadtpolitik kommt die Forderung, dass die höheren politischen Ebenen den Betrieb und Ausbau von Bahn und Bus stärker bezahlen müssten. Das sieht auch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) so.

“Langfristig werden wir unsere Fahrpreise nur stabil halten können, wenn Land und Bund es mit der Verkehrswende ernst nehmen und uns dafür auch das Geld geben”, reagiert der OB auf die Preiserhöhungen. “Das fordere ich.” Die Verkehrswende könne nur gelingen, wenn Angebot und Preis bei Bahn und Bus stimmen.

Der RMV-Aufsichtsrat hatte unter Feldmanns Führung entschieden, die Fahrpreise zum 1. Juli um weitere 3,9 Prozent anzuheben. Der Verbund macht die hohe Inflationsrate und gestiegene Personal- und Energiekosten als Kostentreiber geltend. Schon zu Jahresbeginn waren die RMV-Preise um 1,5 Prozent gestiegen.

Nicht erhöht würden nun Preise für Jahreskarten, um Stammkunden für ihre Treue in der Pandemie zu danken, so der RMV. Auch Preise von Schüler- und Seniorentickets bleiben gleich. In Frankfurt gehe man den Sonderweg, dass “zumindest für unsere Kinder Einzelfahrten, Kurzstrecken und Tageskarten ebenfalls nicht erhöht werden”, sagt Feldmann. Bei Erwachsenen kämen zehn bis 15 Cent drauf. “Diese Frankfurt-Regelung zu erreichen, war wirklich sehr schwer – aber ist ein klarer Erfolg”, sagt der OB.

Fahrgäste zahlen nur Hälfte der Kosten

In der Stadtpolitik übt nur die Linke scharfe Kritik: die Tarifsprünge seien viel zu hoch und kämen “zur absoluten Unzeit”, weil viele Menschen durch die hohe Inflation besonders belastet seien. Preiserhöhungen seien “nie schön”, räumt Katharina Knacker ein, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Ärgerlich seien sie auch, weil Tickets für Bus und Bahn regelmäßig teurer würden, während “andere Verkehrsmittel” stärker subventioniert würden: das Auto.

Immerhin würden diesmal Jahreskarten nicht teurer, sagt Knacker. Politisches Ziel der Römerkoalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt sei, die Jahreskarte noch attraktiver zu machen, “am besten wäre ein 365-Euro-Ticket”. Doch die Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen decken schon heute nirgendwo die Kosten für den Nahverkehr. Beim RMV machten sie jahrelang 55 Prozent aus, den Rest müssen Kommunen, Land und Bund direkt zuschießen.

Zuletzt hat das Land den Steueranteil schon erhöht: Indem es Schüler- und Seniorenticket sowie für seine Bediensteten das Jobticket anbietet, tragen Fahrgäste mit ihren Zahlungen weniger als zur Hälfte der Einnahmen bei. Wer also günstigere Tickets einführen will, muss den Anteil aus den Steuern weiter erhöhen.

Frankfurt werde 100 Millionen Euro dieses Jahr zahlen, um das Defizit der Verkehrsgesellschaft auszugeben, erklärt Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). Auch gibt die Stadt schon jährlich mehr als 20 Millionen Euro aus, damit hier viele Tickets billiger sind als anderswo im RMV. Coronabedingt ist die Stadtkasse aber leer. Wie sollen da noch deutlich billigere Tickets oder ein besseres Angebot finanziert werden?

“Wir arbeiten an einer Lösung”, sagt Knacker. Die Hälfte der Fahrgäste fahre schon mit Flatrate-Tickets wie Senioren und Schüler. Wichtigstes Anliegen der Koalition sei es, die Klimakrise zu bekämpfen, betont die Grüne. “Der ÖPNV spielt dabei eine wichtige Rolle.” Das bestätigt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kristina Luxen. Auch ihr “gefällt die Preiserhöhung natürlich nicht”, diese sei gerade noch verträglich. Sollten Tickets günstiger werden, müssten “neue Finanzierungsquellen” erschlossen werden wie eine City-Maut für Autos, eine Abgabe für Unternehmen, verpflichtende City-Tickets für Hotelgäste. Das müsse man “erstmal diskutieren”, sagt Luxen.

Höhere Finanzierung aus Steuern nötig

“Der Bund muss die Möglichkeit schaffen, dass andere in die Finanzierung einsteigen”, fordert der verkehrspolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion im Römer, der CDU, Frank Nagel. Wie eine Nutznießerfinanzierung aussehen könne, darüber sei jedoch noch “eine breite politische Debatte” nötig, räumt er ein.

Ein Vorschlag ist, dass Betriebe oder Grundstückseigentümer mitbezahlen für ein Nahverkehrsangebot, das ihre Arbeitsplätze attraktiver oder ihre Immobilien wertvoller macht. Auch indirekt sei so etwas möglich, indem die Länder einen Anteil der Grunderwerbssteuer für Bahnen und Busse zur Verfügung stellen, erklärt CDU-Experte Nagel. Klar sei: “Es ist mehr direkte Finanzierung des Nahverkehrs aus Steuertöpfen nötig.”