Die Straßen sind auch ohne Halle überlastet

Frankfurt Eine große Mehrheit der Frankfurter Kommunalpolitiker befürwortet den Bau einer Multifunktionsarena neben dem Waldstadion. Eine Lösung für den Verkehr wollen sie schon vorher.

Auf die Heimspieltermine von Eintracht Frankfurt achten auch diejenigen Bewohner des Frankfurter Stadtteils Niederrad, die kein Interesse an Fußball haben. Falls nicht, werden sie durch Staus, Sperrungen und zugeparkten Wohnstraßen daran erinnert. Besser ist, sich darauf einzustellen und eigene Autofahrten zu meiden. Auch Vorkehrungen, die ein Verkehrschaos vermeiden sollen, können ihre Tücken haben.

Wenn der Parkplatz Gleisdreieck voll ist und die Flughafenstraße als Zufahrt schon am Oberforsthauskreisel gesperrt wird, fehlen Christian Wacha kaum 50 Meter bis zur Grundstückszufahrt. Anfangs hat er versucht, auf einem anderen Weg durch Niederrad zu seiner Wohnung zu kommen. Ein zeit- und nervenraubendes Unterfangen. „Alles dicht“, sagt er. Doch es gibt Unterschiede. Die heimischen Fußballfans kennen ihre Wege, aber Konzerte von Rammstein, Peter Maffay und Travis Scott wie im vergangenen Sommer ziehen Besucher von weither an, die zum ersten Mal zum Stadion fahren. „Dann ist es besonders schlimm, und die Straßen sind mit Ortsfremden verstopft, die nicht weiterkommen“, erzählt Wacha, der inzwischen die wenigen Meter zur Einfahrt auf eigene Verantwortung auf der gesperrten Flughafenstraße zurücklegen darf.

Nachdem die Fachausschüsse zugestimmt haben, werden die Stadtverordneten am Donnerstag voraussichtlich den Grundsatzbeschluss für eine Multifunktionsarena am Frankfurter Waldstadion fassen, die Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) vorangetrieben hat. Direkt neben dem Fußballstadion, wo heute der Parkplatz P9 für Taxis und Gästebusse liegt, soll die Halle für gut 12.000 Zuschauer von Eishockey- und Basketballspielen oder bis zu 15.000 Konzertbesucher entstehen. Der Vorteil ist, dass es für die Fläche schon Planungsrecht gibt und sogar Leitungen liegen. Das seit Jahren diskutierte Projekt kann vorankommen. Doch auch die sich abzeichnende große Mehrheit im Stadtparlament sieht den Verkehr als Herausforderung.

Das gilt nicht, wenn die Multifunktionsarena allein bespielt wird: Selbst ausgebucht liegt die Besucherzahl nur bei einem Viertel der Stadionkapazität, das nach der Erweiterung um Stehplätze 60.000 Zuschauer fasst. Von 50 Sport- und 65 Konzertveranstaltungen in der neuen Halle geht die Untersuchung aus, deren Ergebnisse der Oberbürgermeister vergangenen Juni vorgestellt hat. Für den Deutsche Bank Park, wie das Waldstadion derzeit heißt, rechnet sie mit 24 Fußballspielen und sechs kleineren Konzerten sowie sechs Großkonzerten. Kritisch wird es, wenn beide Veranstaltungsorte parallel oder nur leicht zeitversetzt genutzt werden, wie es für gut 15 Tage im Jahr erwartet wird. Dafür sei eine „Ertüchtigung der Infrastruktur“ erforderlich, heißt es in der Magistratsvorlage.

Allerdings reicht schon jetzt das Angebot nicht aus. Der Parkplatz Isenburger Schneise, auf dem noch bis zu 900 Autos stehen können, fällt absehbar weg, weil er aufgeforstet wird. Die Parkplätze Gleisdreieck und Waldparkplatz sind oft schon drei Stunden vor Anpfiff belegt, und nach Spielende stauen sich die Autos an vielen Stellen wie am Oberforsthauskreisel. Parkplätze gibt es zudem neben den Sportplätzen an der Hahnstraße in Niederrad und entlang der Otto-Fleck-Schneise und der Isenburger Schneise. Schon jetzt können Stadionbesucher ein Parkticket im Parkhaus Aculeum am Lyoner Viertel, der früheren Bürostadt Niederrad, und im Parkhaus Universitätsklinikum an der Sandhofstraße vorbuchen. Niederrad, an dessen Zufahrten die Schranken aus Personalmangel nicht mehr besetzt sind, wird trotz der vor einigen Jahren eingeführten Bewohnerparkregelung zugeparkt.

Bei Spielen mit mehr als 20.000 Zuschauern besetzt die Straßenverkehrsbehörde eine eigene Unterleitzentrale am Stadion, um das 2005 zum Confederations-Cup installierte Leitsystem und die Ampeln zu steuern. „Die Kollegen schauen, welche Straße zu ist, und schalten danach die Ampeln“, sagt Dorothee Allekotte vom Frankfurter Straßenverkehrsamt, die früher selbst am Stadion Dienst hatte. „Dafür braucht es viel Kenntnis, sogenannte intelligente Ampeln reichen da nicht aus.“ Heute ist Allekotte als Abteilungsleiterin für Verkehrsplanung zuständig. Sie hat manche Ausnahmesituation beim Verkehr um das Stadion erlebt. Etwa als bei einem Abendspiel auswärtige Zuschauer spät dran waren und auf der autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraße 43 parkten. „Uns ist das Herz stehengeblieben.“ 30 Autos wurden abgeschleppt, die Polizei fing die Fahrer nach dem Spiel ab, bevor sie im Dunkeln auf der Bundesstraße umherliefen. Als 2018 Fans zu einem Konzert von Helene Fischer anreisten und im Feierabendstau steckten, parkten sie die eigentlich geschlossene Behelfseinfahrt an der A3 zu.

Auch jetzt schon reisen mehr Besucher mit dem öffentlichen Nahverkehr an als mit dem Auto. Die S-Bahn-Linien 7, 8 und 9 fahren vom Hauptbahnhof ab, die Straßenbahnlinie 21 wird bei Großveranstaltungen um die Linie 20 mit gekoppelten Wagen ergänzt. Auch die Buslinie X61 zwischen Südbahnhof und Flughafen bekommt dann mit der Linie 80 Verstärkung. Doch Züge und Busse sind voll, und die Menschenmassen stellen eine Herausforderung dar. So reguliert die Polizei zum Beispiel den Zugang zur Unterführung an der Haltestelle Stadion. Für Fahrräder gibt es inzwischen mehr als 1000 Abstellmöglichkeiten.

Um das Parkplatzangebot zu erhöhen und den Wegfall des Parkplatzes Isenburger Schneise auszugleichen, könnten das Gleisdreieck, der Waldparkplatz und derjenige an der Hahnstraße mit Parkdecks bebaut werden. Neue Flächen stehen indes nicht zur Verfügung, das Stadion ist von Bannwald umgeben. Einen Teil der Tiefgarage unter dem Stadion, deren gut 1700 Plätze zum großen Teil an Logengäste vermietet sind, bezieht das Mobilitätskonzept zur Multifunktionsarena ebenfalls ein. Auch das Parkhaus Gateway Gardens am Flughafen soll eine größere Rolle spielen. Unter der neuen Halle sind nur 280 Parkplätze vorgesehen, weil wegen des Grundwassers nicht in die Tiefe gebaut werden soll. Ziel ist es, die Aufteilung der Verkehrsmittel zu ändern, den sogenannten Modal Split. Der Anteil der Besucher, die mit dem Auto kommen, soll von jetzt 44 auf 34 Prozent sinken. Neben Vorschlägen wie Kombitickets, Vorrang für voll besetzte Autos und mehr als 5000 zusätzliche Fahrradabstellmöglichkeiten sollen Züge und Straßenbahnen noch häufiger fahren. Mit der Regionaltangente West, die einen Halt an der Mörfelder Landstraße in Stadionnähe bekommt, steht zudem absehbar ein weiteres Zugangebot zur Verfügung. Im Idealfall könnten ihre beiden Linien, jeweils im Halbstundentakt, 2800 Personen in der Stunde befördern.

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU im Römer, Frank Nagel, wirbt für eine zweite Straßenbahnstrecke zum Stadion. Sie könnte entlang der Mörfelder Landstraße verlaufen, wo bis 2014 die historische Tram Lieschen am Pfingstwochenende Besucher zum Wäldchestag brachte. Auch Nagel weiß, dass die Nutzen-Kosten-Rechnung für eine nur an Veranstaltungstagen genutzte Straßenbahn schwierig wird. Für Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen), der „prinzipiell“ hinter dem Grundsatzbeschluss für die Multifunktionsarena steht, ist sie daher eher perspektivisch eine Option.

Der Ortsbeirat für Niederrad, Oberrad und Sachsenhausen hat gerade die Forderung nach einem „ganzheitlichen Verkehrskonzept“ beschlossen. Auch die Stadtverordneten verlangten schon vor mehr als fünf Jahren eine Verbesserung der Verkehrsanbindung des Stadions – als über eine Multifunktionsarena nicht dort, sondern am Kaiserlei und am Flughafen diskutiert wurde. „Wir brauchen eine Lösung für das Stadion schon jetzt, unabhängig von der Multifunktionsarena“, sagt daher nicht nur der Oberbürgermeister.