Barcelona am Main
Im Stadtparlament beschließt eine Mehrheit die Verkehrsberuhigung nach dem Vorbild der Superblocks. Die CDU zieht aus dem Blick in die katalanische Hauptstadt ihre eigenen Lehren.
Entspannt vor die Tür treten im weitgehend autofreien „Mainblock“? Die unter Superblock firmierende Verkehrsberuhigung für ganze Stadtviertel, um die der Durchgangsverkehr herumgeleitet wird, tritt gelegentlich mit ortstypischer Bezeichnung auf. Als „Kiezblock“ in Berlin etwa oder als „Supergrätzl“ in Wien. Der von Martin Huber (Volt) vorgeschlagene Name „Mainblock“ steht noch nicht fest. Beschlossen haben die Stadtverordneten am Donnerstag aber, nach einem in Barcelona praktizierten Prinzip drei größere Quartiere in Frankfurt so zu gestalten, dass Fußgänger und Radfahrer Vorrang vor dem Autoverkehr haben und einzelne Straßenabschnitte sogar entwidmet werden können. CDU, AfD und BFF-BIG lehnten den Antrag der Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt dagegen ab.
Der kleinste Koalitionspartner Volt hatte sich als Europapartei die Anregung jenseits der Ländergrenzen geholt. Es gibt aber auch schon ein Superblock-Konzept des Verkehrsclubs VCD für Bockenheim. „Hier trifft das Konzept auf fruchtbaren Boden“, sagte Huber. Anders als am Oeder Weg, wo die Reduzierung des Autoverkehrs weitere Sperrungen an Ausweichrouten nötig gemacht hat, dürfe nicht ein Teilschritt den nächsten nach sich ziehen, sondern man müsse den ganzen Block in den Blick nehmen. Weil Darmstadt noch zögere – dort wurde die Ausweisung des „Heinerblocks“ aus Kostengründen aufgeschoben –, könne man immer noch Hessens ersten Superblock in Frankfurt schaffen.
Der BFF-Fraktionsvorsitzende Mathias Pfeifer sprach von „verantwortungslosen Experimenten“ der Koalition. Bevor man den Individualverkehr reduziere, brauche man einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr, ein Park-and-ride-Angebot und Quartiersgaragen. Martin-Benedikt Schäfer (CDU) vermisste „aussagefähiges Datenmaterial“. Auch er wandte den Blick nach Barcelona. Farbe auf der Fahrbahn und Poller, Proteste von Bürgern, Umsatzrückgang bei Geschäften: „Vieles erinnert an Frankfurt.“ Inzwischen sei dort die Stadtregierung abgewählt, und die Superblocks würden teilweise zurückgebaut. „Diesen Wechsel brauchen wir auch hier.“ Schäfers Fraktionskollege Frank Nagel ergänzte: „Uns fehlt das Vertrauen in die Kommunikationsleistung der Koalition.“ Den ersten Superblock in Frankfurt hätten 1979 die damaligen Bau- und Planungsdezernenten Hans-Erhard Haverkampf (SPD) und Hans Küppers (CDU) mit der Verkehrsberuhigung im südlichen Westend hinbekommen.
Dass Elemente der Superblocks seit Langem in Frankfurt bekannt seien, spricht aus Sicht von Katharina Knacker (Die Grünen) für sie. „Es ist kaum noch vorstellbar, dass einst auf allen Straßen Tempo 50 gefahren werden durfte.“ Superblocks ermöglichten es Kindern, sich vor der Haustür frei zu bewegen. Denn daran mangele es.
Überzeugungsarbeit im Ortsbeirat will Simon Witsch (SPD) leisten, nachdem sich im Nordend der SPD-Fraktionsvorsitzende Rüdiger Koch wie die CDU gegen die Superblock-Idee ausgesprochen hat. Witsch nannte es „misslich“, wenn von „Schreckgespenstern“ gesprochen werde, ohne dass die konkreten Pläne vorlägen. Dagegen kündigte Manfred Zieran (Ökolinx) volle Unterstützung an. Es wäre nach seinen Worten eine „Umsetzungsschwäche“, wenn außer in Bockenheim nicht auch im Nordend ein Superblock eingerichtet würde. „Wir wollen eine autofreie City“, sagte Zieran, „und dafür auch die Pendler verdrängen.“
Die in der Koalition bei Verkehrsprojekten oft kritischen Liberalen zeigen sich aufgeschlossen, auch wenn die Superblocks zu kontroversen Diskussionen in der Stadtgesellschaft geführt hätten. „Man kann nicht auf alle Neuerungen verzichten“, sagte Uwe Schulz (FDP). Den Verkehr aus den Wohnquartieren auf die Hauptverkehrsachsen zu verlagern, sei als Prinzip richtig. „Aber dann darf man die Eschersheimer Landstraße nicht zur einspurigen Spielstraße mit Tempo 20 machten.“bie.