Wie Straßenbahngeschichte am Leben erhalten wird
Auch an seinem 40. Geburtstag ist das Verkehrsmuseum mit seinen einmaligen Exponaten noch immer geschlossen. Doch die Vereinsmitglieder machen auf andere Weise Geschichte erlebbar.
Gegen die Nostalgie ist schwer anzukommen. Die hölzernen Bänke und Wände sind in unterschiedlichen Farbtönen handwerklich sorgfältig gearbeitet. Wie ein Automobil-Oldtimer vermittelt der historische Straßenbahnwagen aus der zwischen 1899 und 1909 gebauten B-Reihe den Charme eines Gefährts, bei dem nicht nur nüchterne Funktionalität im Vordergrund gestanden hat. Bis man sich vorstellt, dass die Bänke auf Dauer recht hart sein können. Und erfährt, dass die offenen Plattformen erst von 1912 an nach und nach verglast wurden und es eine Heizung natürlich nicht gab. „Die Arbeitsbedingungen der Fahrer waren hart“, ergänzt Frank Nagel noch, um das verklärende Bild endgültig zurechtzurücken.
Nagel ist Vorsitzender des Vereins Historische Straßenbahn der Stadt Frankfurt am Main, der das Verkehrsmuseum Frankfurt seit 2006 ehrenamtlich betreut. Man kann dort die Asthetik historischer Fahrzeuge bewundern, dabei etwas lernen, und natürlich kommen Technikbegeisterte auf ihre Kosten. Schließlich hat alles, was auf Schienen fährt, eine besonders treue und kenntnisreiche Fangemeinde. So herrschte großer Andrang, als auf den Tag genau vor 40 Jahren das Museum in der Wagenhalle der ehemaligen Waldbahn-Gesellschaft neben dem Schwanheimer Bahnhof an der Rheinlandstraße eröffnet wurde. Etwa 10.000 Besucher im Jahr zählte das Verkehrsmuseum. Seit Frühjahr 2020 ist es allerdings geschlossen. Erst wegen der Corona-Regeln, dann stellte sich heraus, dass die Brandschutzbestimmungen keinen Publikumsbetrieb zulassen.
Schon vor mehr als zehn Jahren gab es Pläne für einen Museumsneubau, doch daraus wurde nichts. Das Museum gehört der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF), die voriges Jahr einen neuen, 4,5 Millionen Euro teuren Anlauf ankündigte. Die Westhalle wird abgerissen und höher neu gebaut.
Unter deren Kunststoffverkleidung verbirgt sich zwar die alte Wagenhalle.
„Sie steht aber nicht unter Denkmalschutz, der Bautypus war weit verbreitet”, sagt Nagel. Ein Beispiel findet sich auf der anderen Seite des Freigeländes. Die ebenfalls vom Museum genutzte Osthalle hat weitgehend ihr Erscheinungsbild bewahrt. Sie soll um einen Glasvorbau ergänzt werden.
Wie ein Sprecher der VGF auf Nachfrage sagt, sind Mitte März Architekten und Statiker mit ersten Planungsentwürfen beauftragt worden, nachdem zuvor europaweit ausgeschrieben worden war. Die Entwürfe sollten im dritten Quartal vorliegen. Nach wie vor gehe man davon aus, dass der Neubau im ersten Halbjahr 2027 eröffnet werden könne.
So lange bleibt die Dauerausstellung geschlossen. Das Verkehrsmuseum, zu dem auch der Schwanheimer Bahnhof gehört, verfügt über viele einmalige Exponate wie den ersten Pferdebahnwagen aus dem Jahr 1872 oder den elektrischen Triebwagen der Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft von 1884. Er ist der weltweit älteste Straßenbahntriebwagen, der erhalten blieb. Auch unter den Omnibussen finden sich Exoten wie ein Gelenkbus, dessen Konstrukteure sich 1963 an der Straßenbahn orientierten. Neben den mehr als zwei Dutzend Schienenfahrzeugen und Bussen im Original stehen in Vitrinen gut 200 Modelle. Die Vereinsmitglieder werkeln auch akribisch an Straßenzügen, für die Fotos, Luftbilder und Karten als Vorlage dienen. Neben den beiden Hallen in Schwanheim gibt es noch eine Dependance des Museums in der U-Bahn-Station Kirchplatz in Bockenheim, wo eine Ausstellung über die U-Bahn der Wiedereröffnung harrt.
Gefeiert wird erst im Sommer beim Sommerfest und dem Tag der Verkehrsgeschichte. Auch wenn das Museum geschlossen ist, machen die Vereinsmitglieder regelmäßig mit Fahrten historischer Fahrzeuge Frankfurter Verkehrsgeschichte erlebbar. So auch an diesem Sonntag, wenn zum 40. Geburtstag historische Straßenbahnen der Fünfziger- und Sechzigerjahre alle 15 Minuten als Linie 17V zwischen der Frankfurter Festhalle und der Neu-Isenburger Stadtgrenze im Pendelverkehr unterwegs sind.
„Früher sind wir einmal im Monat gefahren, inzwischen mehr als 30 Tage im Jahr”, sagt der Vorsitzende. Auch sonst ruht die Vereinsarbeit nicht. Von den
150 Mitgliedern seien etwa 50 regelmäßig aktiv. Wer vermutet, alte Straßenbahnen seien etwas für diejenigen, die sie noch aus eigener Anschauung auf den Straßen kennen, dem widerspricht Nagel. „In der Pandemie sind viele Jugendliche zu uns gestoßen und dabeigeblieben.” Man habe damals eines der wenigen Angebote machen können. Die Fahrzeuge wurden nach draußen gefahren, um sie dort zu reinigen, auch das Aufräumen ging mit dem vorgeschriebenen Abstand.