Römer-Koalition will heute “Deckel” beerdigen, hat aber nur Konzept für temporäre Gestaltung
Das “Loch” an der Hauptwache, die große Treppenanlage zur B-Ebene, soll nun doch nicht geschlossen werden. Heute will die Römer-Koalition den “Deckel” begraben und stattdessen eine Zwischenlösung für die Gestaltung des Geländes auf den Weg bringen.
Frankfurt – Das Schließen der ausladenden Treppenanlage an der Hauptwache soll nicht länger Ziel sein: Heute will die Römer-Koalition den elf Jahre alten Beschluss der Stadtverordneten kippen. Stattdessen hat Planungsdezernent Mike Josef (SPD) das Umgestalten der Treppe zu einer Veranstaltungsarena vorgeschlagen. Allerdings droht damit wohl ein langes Provisorium mitten in der Stadt.
Den Stillstand an der Hauptwache will Dezernent Josef überwinden: Die ungeliebten Treppen hinab in die B-Ebene sollen mit großen Sitzstufen zur Arena werden. Teile des Bauwerks – konkret der “Apothekenhügel” und die “Verkehrsinsel” von Traffiq – könnten abgerissen werden. Neue “Verschattungselemente” und Bäume sollen das Areal um die am stärksten frequentierte S- und U-Bahn-Station mitten im Herzen der Stadt angenehmer machen. Anfang Oktober hatte Josef seine Pläne vorgestellt. Heute sollen die Stadtverordneten dies absegnen, den 2010 beschlossenen “Deckel” beerdigen.
Der alte Beschluss “blockiert neue Ideen”, findet Grünen-Fraktionsvorsitzender Dimitrios Bakakis. Den Beschluss heute wertet er als Befreiungsschlag. Im Beschlusstext werden die von Josef vorgestellten Vorschläge des Stadtplanungsamtes jedoch nur als “Ziele” und “Maßgabe” definiert. Eine Umsetzung aber beschließen die Stadtverordneten noch nicht: Sie geben bloß beim Magistrat “ein Konzept für temporäre Maßnahmen” in Auftrag – für 180 000 Euro.
Warum so unkonkret? Zunächst sollten die Bürger eingebunden werden, erklärt Bakakis. “Zudem “können wir nichts Dauerhaftes planen wegen der ausstehenden Bauarbeiten unten”. Dort muss das Bauwerk der Verkehrsstation saniert werden. Was das umfasse, sei noch nicht klar, sagt der Grüne. Die Zeit bis zur Klarheit darüber wolle man nutzen, um “verschiedene temporäre Dinge zu entwickeln und auszuprobieren, ob sie angenommen werden”.
“Manches wird in zehn Jahren noch stehen”
Bislang hatte die CDU den Deckel favorisiert. Dieser sei die Lösung, die alle am liebsten gehabt hätten, gesteht Dimitrios Bakakis ein. “Es macht aber keinen Sinn, an Ideen festzuhalten, die unrealistisch sind.” Das Schließen des Treppenabgangs koste bis zu 234 Millionen Euro – so viel Geld könne die Stadt in absehbarer Zeit nicht aufwenden.
Dass sieht die CDU offenbar nun ähnlich: Sie hat drei Vorschläge für die Gestaltung des Geländes ohne Deckel vorgelegt. So fordert die Fraktion, große Bäume zu pflanzen, statt bloß “Verschattungselemente” aufzubauen. Auch solle ein großer Brunnen als Planungsziel aufgenommen werden und das Schillerdenkmal zurück auf die Hauptwache kommen.
Über den Umzug des Denkmals “kann man mal nachdenken”, findet Dimitrios Bakakis. Der Brunnen sei schon als Ziel gesetzt. Das Pflanzen großkroniger Bäume prüfe man gerne, es sei aber “ein bisschen unrealistisch”, da sich unter der Oberfläche ja das Bauwerk befinde. Während der Koalitionsantrag heute beschlossen werden soll, wollen die Koalitionäre die CDU-Vorschläge erneut im Planungsausschuss besprechen. “Die CDU hat sich Mühe gegeben, ein Haar in der Suppe zu finden”, findet der Grünen-Fraktionschef. “Das ist ihr aber nicht geglückt.”
Allerdings bringt ja auch der Koalitionsbeschluss heute zunächst nichts Dauerhaftes ohne Klarheit über die Bauarbeiten im Untergrund. Droht also ein langwieriges Provisorium? “Manches Temporäre wird vielleicht auch in zehn Jahren noch dort stehen”, gesteht Dimitrios Bakakis ein.
Darüber ärgert sich der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Nagel. Es sei nicht zu verstehen, warum die neue Koalition alles neu plane, obwohl die Stadt schon 2005/2006 untersucht habe, welche Umbauten möglich seien. Offenbar arbeite das Planungsdezernat nicht mit dem für die Station verantwortlichen Verkehrsdezernat zusammen. “Das ist frustrierend”, so Nagel.
Nötig sei daher dringend, dass eine Gesamtplanung entstehe, die gemeinsam mit der Verkehrgesellschaft VGF entstehe, fordert der Verkehrspolitiker. Die VGF ist für das sanierungsbedürftige Bauwerk zuständig. Frank Nagel mahnt: “Nur wenn klar ist, was die Stadt haben will, kann die VGF mit der Sanierung anfangen.” Dennis Pfeiffer-Goldmann
KOMMENTAR
Auch die vierte Regierung steckt den Kopf in den Sand
VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN
Endlich tut sich was! So möchte man sich freuen, wenn die Stadtverordneten heute eine neue Perspektive für den Platz an der Hauptwache eröffnen. Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass sich hier etwas tut. Die gudd Stubb der Stadt strotzt vor Beton, Dreck, Ekel. Doch die Koalition scheint diese Schäbigkeit lediglich in ein Provisorium überführen zu wollen. Ob das besser ist?
Viele Worte und Visionen, wenig konkrete Umsetzung: Das kennen wir schon aus dem 220-seitigen Koalitionsvertrag von Grünen, SPD, FDP und Volt. Total schöne Sätze, nur steht kaum Konkretes drin. Klar: So tritt die Politik niemandem auf die Füße. Günstig ist es obendrein, wenn man nur plakativ prüft statt umzusetzen. So scheint es nun auch an der Hauptwache zu laufen. Vielleicht ein paar Pflanztröge, ein bisschen Tünche, Sitzstufen statt der Treppen: Sieht sicher hübsch aus. Doch lässt sich ahnen, welche Teile des Hauptwachen-Publikums die Sitzstufen schnell begeistert okkupieren werden. Und auch, dass Vierbeiner die Tröge allzu gern nutzen dürften, um ihr Revier zu markieren. So folgt neuer Siff auf alten Siff.
Das neue Bündnis offenbart damit, wie herzlich egal ihm das Herz der Stadt ist. Der Koalition fehlt nämlich die Traute, endlich die Sanierung der Verkehrsstation anzupacken. Das ist teuer, ja, aber nicht nur die Basis für jede neue Gestaltung. Es ist vor allem dringend notwendig. Tag für Tag wird der Bau auf Verschleiß genutzt, Tag für Tag wird die Sanierung teurer. Vor dieser Realität steckt nun schon die vierte Regierung den Kopf in den Sand. Dabei steht die VGF seit Jahren in den Startlöchern, wartet auf grünes Licht aus dem Römer. Statt diese nachhaltige Entscheidung zu treffen, mutet die Koalition den Frankfurtern aber nur das nächste ewige Provisorium zu. Eine sehr eklige Enttäuschung.