Der Radweg nutzt nicht nur Radlern

Bis zu 40.000 Fahrzeuge sind vor Corona täglich über die Friedberger Landstraße gerollt. Eine Einfallstraße, die von Bad Vilbel beziehungsweise von der Autobahn 661 bis in die Innenstadt führt, mit entsprechend viel Pendlerverkehr. Je mehr der sich der Innenstadt nähert, desto schmaler wird die Straße, zwängen sich Autos, Radfahrer, Fußgänger, zwei Straßenbahnlinien und eine Buslinie durch das Nordend, eines der am dichtesten bebauten Gründerzeitviertel Frankfurts. Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) erinnert daran, dass seit mehr als 20 Jahren über die Umgestaltung der Straße diskutiert werde.

Im vergangenen Sommer hat er in Absprache mit seinen Koalitionspartnern von CDU und Grünen und auf Drängen der Initiative Radentscheid Fakten geschaffen: Ende Juli rückten Straßenbauer an und markierten die untere Friedberger Landstraße vom Anlagenring bis zum Friedberger Platz mit roten Radstreifen. Damit entfiel eine der beiden Fahrbahnen für Autos. Anfangs gab es Schwierigkeiten; Straßenbahnen und Busse standen plötzlich im Stau. Das von den Gegnern prognostizierte Chaos blieb jedoch aus, vermutlich wegen des deutlich geringeren Verkehrs infolge der Pandemie.

Doch was denken diejenigen, die an diesem Abschnitt der Friedberger Landstraße leben? Was halten sie vom Umbau? Welche Folgen hat er für ihre Lebensqualität? Damit hat sich in der Vergangenheit trotz aller Diskussionen niemand beschäftigt. Nun sind Studenten der Goethe-Universität, die sich mit Mobilitätsforschung befassen, diesen Fragen nachgegangen. Sie haben mit Hilfe einer Vorher- Nachher-Untersuchung ermittelt, wie die Anwohner die verbesserte Radverkehrs-Infrastruktur wahrnehmen.

Besonders wohl fühlen sich Anwohner noch nicht

Um es vorweg zu nehmen: Die rund 120 Haushalte, die an der Befragung teilgenommen haben, geben an, ihre Lebensqualität habe sich verbessert. Vor allem in Bezug auf Lautstärke, Verkehrsaufkommen und mit Blick auf die Tatsache, dass es an der Straße nun sicherer für ihre Kinder sei. Beim letztgenannten Punkt ist die Zufriedenheit am deutlichsten gestiegen, von sechs auf 20 Prozent.

Besonders wohl fühlen sich die Anwohner allerdings immer noch nicht. Nur 29 Prozent bewerten die Aufenthaltsqualität als gut oder sehr gut, vor dem Umbau waren es 26 Prozent. Allerdings bezeichneten vorher 58 Prozent der Anwohner die Aufenthaltsqualität als schlecht oder sehr schlecht, danach waren es 35 Prozent.

Insgesamt ist mehr als die Hälfte der Befragten zufrieden mit dem Anlegen der Radstreifen. Die Radler fühlen sich deutlich sicherer, und mehr Anwohner geben an, weniger mit dem Auto und stattdessen mehr zu Fuß und vor allem mit dem Rad unterwegs zu sein. Zwei Drittel wünschen sich solche Fahrradwege auch an anderen Hauptverkehrsstraßen in Frankfurt. Und auch die Zahl derer, die mit der Verkehrssituation insgesamt einverstanden sind, stieg von 25 auf 42 Prozent. Nicht überraschend ist die besonders hohe Zufriedenheit der Radler, während Autofahrer und die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel deutlich unzufriedener geworden sind. Die Studenten weisen darauf hin, dass sich in der Zwischenzeit einiges für den besseren Verkehrsfluss von Bahnen und Bussen getan habe. Die Nutzer müssten daher nun wieder zufriedener sein.

“Das bringt die Stadt nicht weiter”

Verändert haben sich durch den Straßenumbau die Konfliktlinien: Hatte es bis zum Sommer viele Streitereien zwischen Rad- und Autofahrern sowie zwischen Radlern und Fußgängern gegeben, so kommt es der Befragung zufolge nun seltener zu Konflikten – wenn, dann geraten Autofahrer aneinander.

Oesterling, der sich die Ergebnisse gemeinsam mit anderen Kommunalpolitikern vorstellen ließ, sieht sich durch die Umfragen wie durch die Gesamtentwicklung auf der Friedberger Landstraße in seinem Handeln bestätigt. “Schrittweise”, so seine Devise, müssten die Straßen zugunsten der Radfahrer umgebaut werden. “Hätten wir ein Gesamtkonzept für die Friedberger Landstraße vorgelegt”, so der Stadtrat, “wir wären bis heute noch keinen Meter weit gekommen.” So aber seien selbst die Konflikte kaum aufgefallen. Ihm pflichtet Beatrix Baltabol von der Initiative Radentscheid bei: “Zunächst provisorisch zu handeln, das begrüßen wir sehr.” Dann könne das Feinjustieren mit den Beteiligten beginnen.

Dem widerspricht die FDP-Politikerin Annette Rinn. Sie halte nichts von der Methode “Erst einmal machen”, schnell seien die Fronten verhärtet. “Das bringt die Stadt nicht weiter.” Auch der CDU-Verkehrspolitiker Frank Nagel rät, ganzheitlicher vorzugehen und zumindest detailliert anzuschauen, wer warum die Straßen nutze. Ziel müsse es sein, den Pendlerverkehr stärker aus der Stadt herauszuhalten, aber mit Park-and-Ride-Plätzen und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.