Stadt verschiebt Einführen strengerer Regeln wohl auf 2022: “Arbeiten mit Hochdruck daran”

Eine Plage, die viele Frankfurter nur noch nervt: E-Scooter liegen in der Münchener Straße nahe des Hauptbahnhofs herum. FOTO: Pfeiffer-Goldmann

Frankfurt – Auf ein Ende des Chaos mit den geschätzt um die 5000 E-Scootern werden die Frankfurter noch warten müssen. Es dürfte bis ins nächste Jahr dauern, bis die Stadt strenge Regeln erlässt. Das kündigt Wolfgang Siefert, persönlicher Referent von Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne), jetzt an.

Mit einer Satzung will die Stadt den negativen Auswüchsen der E-Scooter-Plage Einhalt gebieten. Für “nach der Sommerpause” hatte der vorige Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) einen Entwurf des Regelwerks angekündigt. Das hat auch Bernd Schneider von der Frankfurter Initiative für sichere Gehwege verfolgt. Nun ist der Sommer lange vorbei, und Schneider interessiert, ob die Stadt wenigstens ihre Ankündigung einhalten werde, dass die strengen Regeln ab dem Jahreswechsel in Kraft treten können.

In der Bürgerfragestunde der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Mobilität und Smart City meldete sich Schneider mit dieser Frage zu Wort. Doch von Wolfgang Siefert, dem persönlichen Referenten von Mobilitätsdezernent Stefan Majer (beide Grüne), erhält er eine ernüchternde Antwort: “Wir arbeiten mit Hochdruck daran, aber ob wir es 2021 schaffen, kann ich nicht versprechen.” Siefert räumt ein: Das E-Scooter-Chaos sei “eines der drängendsten Probleme”.

Das können Fußgänger, Rad- und Autofahrer bestätigen. Viele E-Scooter-Fahrer halten sich an keine Regeln, fahren mit hohem Tempo über Gehwege und durch Fußgängerzonen, parken die Gefährte rücksichtslos auf dem Trottoir und vor Eingängen, werfen die Elektrotretroller in Parks oder den Main.

 

Situation “regt die Bürger massiv auf”

Die Verleihfirmen reagieren nur zögerlich auf das Chaos und angeln versenkte Scooter zum Beispiel aus dem Fluss wieder heraus. Einige beteuern zwar, das Parken in Parkverbotszonen wie auf Römerberg und Paulsplatz zu unterbinden, indem die Miete dort nicht beendet werden kann. In der Praxis ist das dann aber sehr wohl doch möglich.

Mit der Firma Tier hatte nur ein Anbieter zwischenzeitlich das Tempo der Scooter in Fußgängerzonen zwangsreduziert. “Tempodrosselungen sind in Deutschland aktuell nicht zulässig”, sagt hingegen Bodo von Braunmühl, Sprecher des Verleihers Lime. Er betont, dass die Miete von Lime-Rollern in den Parkverbotszonen nicht beendet werden könne.

Die Lage “regt die Bürger massiv auf”, sagt Linken-Stadtverordnete Daniela Mehler-Würzbach. Und Bernd Schneider kritisiert, dass die Stadt ihr Versprechen breche, die Plage schnell zu beenden. “Wir brechen kein Versprechen, da wir es nicht gegeben haben”, sagt Siefert.

Aktuell werde im Dezernat die Satzung erarbeitet, wonach die Verleiher künftig eine Sondernutzungserlaubnis benötigen. Diese schreibt dann Flächen vor, wo Roller entliehen und zurückgegeben werden können. Das dürfte den Verleihern kaum gefallen, ist doch das spontane Stehenlassen der meist zum Freizeitspaß genutzten Gefährte zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells.

Mit den Verleihfirmen wolle man noch ins Gespräch kommen, kündigt Siefert an. Die warten gespannt auf die künftigen Regeln. “Grundsätzlich gibt es sinnvolle und weniger sinnvolle Regulierung”, erklärt Lime-Sprecher von Braunmühl. “Wir unterstützen nachdrücklich jede Form von sinnvoller Regulierung.”

Die Abstellbereiche in Frankfurt sollen laut Siefert “in der ersten Stufe” auch noch keine Lademöglichkeiten für die Elektro-Roller beinhalten, da deren Bau aufwendig sei und länger dauere. “Wir werden erstmal mit Farbe und Schildern arbeiten.”

Das ist dem verkehrspolitischen Sprecher der CDU, Frank Nagel, zu wenig. “Bitte denken Sie auch daran, wie die Umsetzung der Reglementierung aussehen soll.” Sprich: Es brauche städtisches Personal für die Kontrollen. Nicht verständlich ist es für Falko Görres (Die Fraktion), warum die Stadt nicht die Verleihfirmen als Halter bei Parkverstößen in Haftung nehme wie bei Autos. Das hatte Dezernent Majer kürzlich erklärt, als er erläuterte, dass die Mitarbeiter der Verkehrspolizei falsch geparkte E-Scooter eigenhändig wegräumten.

Ob die Firmen haftbar gemacht werden könnten, “müssen wir noch rechtssicher klären”, sagt Majers Referent Siefert. Es könne ja vorkommen, dass ein Fahrer den E-Scooter korrekt abgestellt habe, aber jemand anderes den Roller umwerfe oder woanders hinstelle. “Mit genau solchen Fragen beschäftigen wir uns gerade.” Dennis Pfeiffer-goldmann

Überall gehen Städte gegen die Roller-Plage vor:

■New York, Barcelona, Berlin: weltweit gehen Städte inzwischen gegen E-Scooter vor – wegen der Regelverstöße der Fahrer, wegen Falschparken, wegen vieler Unfälle, vieler Verletzter.

■ Oslo hat die Rollerzahl gerade um zwei Drittel auf 8000 reduziert und ein nächtliches Fahrverbot erlassen. In Stockholm muss der Verleiher jeden Roller für 140 Euro im Jahr anmelden. Kopenhagen hat die Gefährte komplett aus der Altstadt verbannt. Paris hat Tempolimits eingeführt und die Zahl der Anbieter auf drei begrenzt.

■ Seit Juni 2019 dürfen E-Scooter in Deutschland fahren. Allerdings hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dabei den Kommunen keine ausdrückliche Regelungsmöglichkeit für die meist von jungen Leuten zum Spaß genutzten Gefährte eingeräumt. Die müssen sie nun selbst mühsam einzeln durchsetzen.

■ Als erste Stadt hat Düsseldorf eine Satzung mit Regeln gegen das E-Scooter-Chaos erfolgreich vor Gericht durchgefochten. Doch selbst diese Regelung genügt bislang nicht, um die Lage zu verbessern. Nun soll die Satzung noch rigidere Beschränkungen erhalten.

■ In Wien hat die Stadt die Zahl der E-Scooter je Stadtbezirk und Anbieter stark begrenzt. Ebenso dürfen sich Anbieter nicht auf die umsatzstärksten Innenstadt-Stadtteile beschränken, sondern müssen auch am Stadtrand ihre Roller aufstellen.

■ Dennoch sieht Anbieter Lime das Wiener Modell als “sehr sinnvoll” an, erklärt Firmensprecher Bodo von Braunmühl. Der Druck auf die Abstellflächen werde reduziert. Zugleich leiste das Angebot in den Außenbezirken einen Beitrag, um den Mobilitätsmix zu stärken, wo der Nahverkehr weniger dicht getaktet verkehre. dpg