Tanzfläche und Radieschen beim Mainkai-Aktionstag – Der Mainkai ist längst Wahlkampfthema
VON OLIVER TEUTSCH
Modell eines Mainkais ohne Autos: Bürger konnten selbst den Zeichenstift in die Hand nehmen, aber auch Initiativen stellten ihre Ideen vor.
Der Aktionstag “Making Frankfurt” zeigt die vielfältigen Möglichkeiten für die gesperrte Straße. Initiativen zeigten ihre Ideen, jede Menge Kunst war auch zu sehen.
Die beiden jungen Frauen wirken noch etwas unentschlossen, als Till Bause sie zum Basteln von Trinkhalmen aus Weizenstroh animieren will. Erst als der Mitarbeiter vom Dottenfelderhof die beiden Studentinnen mit dem Pflanzen von Radieschen ködert, stellen sie ihre Räder zur Seite.
Angelina Pfeil und Naomi Heidrich waren bei der
Radfahrdemo von der Bockenheimer Warte zum Mainkai mit dabei. “Wir wussten aber gar nicht, dass es hier noch so ein großes Angebot gibt”, gesteht Naomi Heidrich.
Tatsächlich hat der Mainkai zwischen Eisernem Steg und Pfarrturm beim Aktionstag “Making Frankfurt” so viel zu bieten wie nie zuvor. Für die bewegenden Momente sind die Tänzer der Dance Company AMP verantwortlich. Sie bespielen eine vier mal vier Meter große Fläche. Solche Flächen brauche es als permanente Installation in der Stadt, findet Florian Geiger von AMP. Und zwar nicht nur am Mainkai, sondern auch in der Nordweststadt oder im Gallus. “Die darstellende Kunst wird total vernachlässigt”, beklagt Geiger. Währenddessen proben seine Kollegen auf der Tanzmatte ihre Choreographien. Etwa zwei Stunden später ist Geiger ganz aus dem Häuschen von der großen Resonanz, die seine Tänzer bei ihren Auftritten erhalten. AMP ist einer der Höhepunkte beim Aktionstag.
Ideen für und gegen gesperrten Mainkai
Aber es geht auch weniger auffällig. Die Initiative “9ormal” fordert die Menschen auf, sich ihren eigenen Mainkai zu basteln. Im Wortsinn. Es gibt vorgefertigte Pappbogen und eine Bastelanleitung. Petra Schröder, eine der Initiatorinnen von “9ormal” ist erstaunt, wie viele Erwachsene sich bastelnd beteiligen. Manche suchen auch nur das Gespräch. Viele wünschen sich demnach eine autofreie Innenstadt, aber das sei gar nicht so einfach. Eine Anwohnerin aus der Berliner Straße habe gestanden, sie wünsche sich sehr gerne einen autofreien Mainkai, nur eben nicht zu Lasten der Berliner Straße. Ein anderer klagt, dass er von Kelkheim-Fischbach drei Stunden nach Frankfurt brauche, wenn er das Auto stehen lasse. Schröder betont, es seien auch Vorschläge willkommen, die gegen eine Sperrung des Mainkais seien: “Es wird nicht zensiert, es geht um die Auseinandersetzung.” Im Herbst sollen die Vorschläge im Architekturmuseum präsentiert werden.
Das Stadtlabor fragt, was künftig am Mainkai wachsen soll. Nach den Vorstellungen der Aktionstagbesucher so einiges vom Apfelbaum bis zu Wiesenblumen.
Angelina Pfeil und Naomi Heidrich haben ihre Radieschen längst gepflanzt. Wie der Mainkai künftig aussehen soll, da habe sie sich noch nicht so recht Gedanken gemacht, gesteht Angelina. “Mehr Fahrradwege würden Frankfurt gut tun”, findet die Studentin aus der Eifel, wo es doch deutlich ruhiger zugeht. Anfangs sei das “teilweise sehr beängstigend gewesen”, wenn etwa der Radweg auf der Friedberger Landstraße einfach aufhöre.
Um kurz vor 16 Uhr tuckert eine Dampflokomotive auf den Mainkai. Ein Vorschlag der CDU zur Umgestaltung? Nein, nur eine Werbeaktion der Hafenbahn für den Sonderfahrtag am 12. September.
Eine Radfahrdemo in Corona-Zeiten ist keine Tour de FranceEtappe. Das mussten am Samstag auch die rund 100
Genossen erfahren, die sich aus Bockenheim und
Eschersheim auf den Weg zum Mainkai machen. “Bitte drei
Meter Abstand halten und Masken auf”, bittet eine der
Ordnerinnen zu Beginn der Demo am Weißen Stein. Kein Vergnügen bei den sommerlichen Temperaturen mit Maske zu radeln, aber was tut man nicht alles im Wahlkampf, denn genau dort ist die SPD am Samstag angekommen. Da macht auch Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) keinen Hehl draus. Auf die Frage, ob er schon im Wahlkampf sei, antwortet er: “Na logo.”
Es sind Grüne und SPD, die sich an diesem Samstag zur
Mainkai-soll-autofrei-bleiben-Partei aufschwingen. Die Initiative “Making Frankfurt” hat dazu eingeladen, den noch bis kommenden Freitag autofreien Mainkai mit alternativen Ideen zu bespielen. Für die Grünen spricht ihr verkehrspolitischen Sprecher Wolfgang Siefert. An das Gemäuer des Historischen Museums hat er Entwürfe des bereits in der vergangenen Woche vorgestellten Konzepts einer menschengerechten Innenstadt mit mehr Grün und weniger Autos gepinnt. Am Speakers Corner skizziert er die Vision im Schnelldurchlauf und erhält dafür Applaus von den etwa 100 Zuhörern. Nachdem die SPD das Konzept kritisiert hatte, weil dort nicht explizit ein autofreier Mainkai erwähnt wird, betont Siefert: “Für die Grünen bleibt der Mainkai ein für alle Mal zu.” Wieder Applaus.
Die SPD bietet am Mainkai neben ihren radelnden
Demonstranten Oberbürgermeister Peter Feldmann,
Planungsdezernent Mike Josef und Oesterling auf. Feldmann hat inhaltlich nicht viel zu sagen, außer, dass er sich bei allen Beteiligten des Aktionstags für ihr Engagement bedankt und dass er sich sehr gefreut habe, an einem Stand mit seiner Tochter Radieschen in einen Topf säen zu können. Planungsdezernent Josef stellt klar, dass es aus städtebaulicher Sicht Sinn ergebe, aus der dreispurigen Straße einen Tiefkai mit mehr Aufenthaltsqualität zu machen. “Hamburg hat das mit dem Jungfernstieg geschafft, und was Hamburg kann, kann auch Frankfurt”, so der Dezernent. Wieder gibt es Applaus.
All das scheint an Verkehrsdezernent Oesterling abzuperlen. Er gehe nicht davon aus, dass die CDU noch erleuchtet werde, also würden ab dem 1. September, wenn der zwölfmonatige Verkehrsversuch endet, wieder Autos über den Mainkai rollen. “Dann wird es halt im März entschieden”, glaubt Oesterling und frohlockt fast, als er auf eine Umfrage der Stadt zu sprechen kommt, die am Donnerstag veröffentlicht werden soll. Er dürfe noch nicht so viel verraten, aber vielleicht gebe es in der Umfrage ja eine klare Mehrheit für einen autofreien Mainkai und weniger Autos in der Innenstadt. Die SPD scheint den Mainkai als Faustpfand für eine erfolgreiche Kommunalwahl nutzen zu wollen.
Von der Buhmann-Partei hat sich Frank Nagel an den Mainkai getraut. Der CDU-Verkehrsexperte räumt ein, dass seine Partei bei dem Thema nicht viel zu gewinnen habe. Nagel zufolge hätte während des Verkehrsversuchs aber mehr für die Entlastung der Ausweichstrecken getan werden müssen.
Andrea Jürges hat sich die Beiträge interessiert angehört. Die stellvertretende Direktorin des Architekturmuseums und Mitinitiatorin von “Making Frankfurt” ist “schwer beeindruckt” von der enormen Vielfalt des Angebots beim Aktionstag. “Man kann nicht einfach zusehen, wie das im Nichts verschwindet.” Sie hadert ein bisschen, dass nach der Schließung vergangenes Jahr nicht mehr passiert ist. “Es reicht doch nicht aus, dass das eine Fahrradrennstrecke ist.” Jetzt wird wohl erst nach der Kommunalwahl etwas passieren. fle