Frankfurt – Von Ende Januar an wird der Betrieb auf vier U-Bahn-, fünf Straßenbahn- sowie fünf Buslinien in Frankfurt reduziert und auf Teilabschnitten ganz eingestellt. Damit will die Stadt das Angebot im Nahverkehr stabilisieren, das besonders seit dem Sommer unter vielen kurzfristigen Ausfällen leidet. Der Notfahrplan soll vom 27. Januar bis zu den Sommerferien gelten.
„Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir handeln müssen“, sagt Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne). Zu massiv ist die Zahl der täglichen spontanen Fahrtausfälle im städtischen Nahverkehrsnetz, verursacht vor allem durch die hohe Krankheitsquote bei den Fahrern. 16 Prozent der 870 Fahrer der Verkehrsgesellschaft VGF fehlten aktuell, sagt deren Technikgeschäftsführer Michael Rüffer. Das sei viel mehr als normal und inzwischen auch mehr, als die VGF-Mitarbeiter mit Überstunden ausgleichen könnten.
Seit dem Sommer seien die Fahrtausfälle mit bis zu elf Prozent auf einem sehr hohen Niveau, erklärt Tom Reinhold, Geschäftsführer der städtischen Nahverkehrsorganisation Traffiq. „Wir hatten nicht erwartet, dass es jeden Monat schlechter wird.“ Das habe zu einer enormen Zunahme der Kundenbeschwerden geführt: Im September beschwerten sich mit 281 Fahrgästen fast zehnmal so viele wie normal über U-Bahn, Trams und Busse bei Traffiq.
Vor allem mit dem Ausdünnen der Fahrpläne in der Stoßzeit sollen nun Dienste eingespart werden. So sollen U5, U6 und U7 sowie stark nachgefragte Buslinien wie M34 und M43 morgens und nachmittags ein wenig seltener fahren: statt dreidreiviertel nur alle fünf, statt fünf alle siebeneinhalb oder statt siebeneinhalb alle zehn Minuten. „Das bedeutet vor allem: Es wird voller“, weiß Reinhold. Daher sollen auf U5 und U7 wenigstes längere Züge fahren. Auf der Buslinie M46 rollen seit einer Taktreduzierung im September schon Gelenk- statt Solobusse. In den Randstunden werde nichts reduziert, so Reinhold.
Am massivsten trifft es die Fahrgäste der U5. Die Linie wird zwischen Hauptbahnhof und Konstablerwache ganz eingestellt und fährt nur noch zwischen Konstablerwache und Preungesheim. Fahrgäste müssten dann an der Konsti umsteigen in die U4 oder die S-Bahnen zum Hauptbahnhof, sagt Tom Reinhold. „Das ist wirklich doof“, aber es spare „sehr viel ein“ beim Personal.
„Müssen Fahrgästen Unerfreuliches zumuten“
Ähnliches gilt für zwei Straßenbahnlinien. Bei der 14 wird der Abschnitt zwischen Gustavsburgplatz und Mönchhofstraße im Gallus ganz gekappt und das restliche Angebot um etwa ein Drittel der Fahrten abgespeckt. Auf der 12 wird der Betrieb zwischen der Eissporthalle und der Hugo-Junkers-Straße auf einen 20-Minuten-Takt halbiert – wobei hier die Fahrgastzahl auch überschaubar ist.
„Wir reduzieren noch moderat“ im Vergleich zu anderen Städten wie München, Köln oder Berlin, beteuert der Traffiq-Chef. „Wir müssen den Fahrgästen aber auch einige unerfreuliche Sachen zumuten.“ Andererseits sei ein Weiter so unmöglich, da das Personal mit vielen Überstunden überlastet sei, mahnt VGF-Geschäftsführer Rüffer. Bis zum Sommer hofft Tom Reinhold, dass „die Maßnahmen greifen, die wir ergriffen haben, um Fahrer zu kriegen“. Die Fahrer-Rekrutierung habe nun oberste Priorität, sagt Wolfgang Siefert. Auch während der Fußball-Europameisterschaft von Mitte Juni bis Mitte Juli solle der übliche Fahrplan wieder gefahren werden, beteuert er.
Fahrgäste: Lieber kalkulierbar als Ausfälle
„Die Lösung ist vernünftig, damit das Angebot wieder zuverlässig funktioniert“, reagiert Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der größten Oppositionsfraktion im Römer, der CDU. „Das Umsteigen an der Konstablerwache ist aber schon eine deutliche Qualitätsverschlechterung, die wir von 1980 bis 1998 schon einmal erleben mussten.“ Daher drängt Nagel darauf, die Einschränkungen so kurz wie möglich zu halten.
Zustimmung kommt auch vom Fahrgastbeirat. „Uns Fahrgästen ist ein reduziertes, dafür aber zuverlässiges Fahrtenangebot lieber als unkalkulierbare Ausfälle“, sagt Kai Werner, Mitglied des Sprecherteams.
Dennoch wirken die Verantwortlichen niedergeschlagen: Die Kürzungen seien „kontraproduktiv für die Verkehrswende“, gesteht Dezernent Siefert. „Deshalb tut es so weh.“ Andererseits sei der Stabilisierungsfahrplan schon der erste Schritt voran, findet Tom Reinhold. „Das Problem ist aktuell die Unzuverlässigkeit, deshalb verlieren wir Fahrgäste.“ Und dennoch: „Die Kürzungen machen wir alle nicht gern, das tut uns leid“, sagt VGF-Geschäftsführer Rüffer. „Das geht gegen die Berufsehre.“ Dennis Pfeiffer-Goldmann
KOMMENTAR
Auf diesen Linien ist das Angebot vom 27. Januar an reduziert
■ U5: Betrieb nur noch zwischen Konstablerwache und Preungesheim. Zwischen Hauptbahnhof und Konstablerwache müssen Fahrgäste die U4, die S-Bahnen oder die Straßenbahn 12 benutzen. Der Takt in der Stoßzeit wird von fünf auf siebeneinhalb Minuten reduziert, dafür fahren 3- statt 2-Wagen-Züge. Samstags gibt es von 12 bis 19 Uhr nur einen 10- statt 7,5-Minuten-Takt. Abends fahren die Bahnen bereits ab 21 Uhr (statt 23 Uhr) alle 15 statt alle 10 Minuten.
■ U6: In der Stoßzeit nur 10- statt 7,5-Minuten-Takt. Sonntags 11 bis 21 Uhr nur 20- statt 10-Minuten-Takt.
■ U7: In der Stoßzeit nur 10- statt 7,5-Minuten-Takt, dafür aber längere 4- statt 3-Wagen-Züge.
■ U9: Samstags 9 bis 21 Uhr nur 30- statt 15-Minuten-Takt. Alternative mit Umstiegen U1/U8 oder U8/U2.
■ Tram 12: Abschnitt zwischen Bornheim Eissporthalle und Fechenheim Hugo-Junkers-Straße wird von 10- auf 20-Minuten-Takt reduziert wochentags von 6 bis 21 Uhr und samstags von 9 bis 16 Uhr.
■ Tram 14: Betrieb wird zwischen Mönchhofstraße und Gustavsburgplatz eingestellt. Sonst 15- statt 10-Minuten-Takt, ab 21.30 Uhr 30- statt 15-Minuten-Takt.
■ Tram 15: Samstags 15- statt 10-Minuten-Takt (9 bis 21 Uhr). Wochentags Fahrten zwischen Südbahnhof und Oberrad erst ab 14 Uhr statt ab 12 Uhr.
■ Tram 17: In Stoßzeit nur 10- statt 7,5-Minuten-Takt.
■ Tram 18: In Stoßzeit morgens (7 bis 9 Uhr) nur 10- statt 7,5-Minuten-Takt.
■ Bus 33: In Stoßzeit nur 20- statt 10-Minuten-Takt.
■ Bus M34: In Stoßzeit nur 10- statt 7,5-Minuten-Takt sowie samstags von 9 bis 21 Uhr nur 15- statt 10-Minuten-Takt.
■ Bus 39: Samstags 11 bis 19 Uhr nur 20- statt 15-Minuten-Takt.
■ Bus 40: Wochentags 6 bis 21 Uhr nur 20- statt 15-Minuten-Takt.
■ Bus M43: In Stoßzeit morgens 5- statt 3/4-Minuten-Takt, nachmittags 7,5- statt 5-Minuten-Takt. dpg
Wenigstens wieder zuverlässig
VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN
Zurück in die 1980er-Jahren: Es ist einfach nur bitter, dass Frankfurt einen Notfahrplan benötigt. Und doch wählen die Verantwortlichen die beste unter den ausschließlich schlechten Optionen. Endlich können sich Fahrgäste wieder auf den Nahverkehr verlassen – auch wenn das Angebot dafür schlechter wird.
Während Corona wurde in Frankfurts ÖPNV viel richtig gemacht – vor allem, indem anderswo entlassene Mitarbeiter als Fahrer angeworben wurden. Auf die nun schon seit einem Jahr hohen Krankenstände jedoch reagierten die Verantwortlichen zu zaghaft. Das Ergebnis: Die vielen kurzfristigen Ausfälle dürften schon tausende Fahrgäste abgestoßen und zurück ins Auto getrieben haben. Daher kommt der Notfahrplan reichlich spät. Schließlich sind Zuverlässigkeit und eine schnelle Reise das A und O für die Kundschaft. U-Bahn, Tram und Bus bieten das ab Ende Januar hoffentlich wieder. Jetzt sollte aber auch die Bahn ihren Betrieb dringend stabilisieren, vor allem die S-Bahn. Und die Stadt und die Verkehrsunternehmen müssen die Zeit bis zum Sommer nutzen, um dauerhaft genug Personal zu bekommen.
Derweil gehen die Fahrgäste in Vorleistung, indem sie viel zu volle Bahnen und Busse ertragen – entschädigt wenigstens wieder durch mehr Zuverlässigkeit von Bahn und Bus und die Aussicht auf Besserung. Das dürfte die Kundschaft wohl gerade so bei der Stange halten. Voran bringt es den Nahverkehr jedoch nicht. Mit dem Notfahrplan muss die Verkehrswende bis auf Weiteres auf dem Ausweichgleis abwarten.