Westend – Projekt in Kettenhof- und Grüneburgweg ist im Stadtteil umstritten
VON MATTHIAS BITTNER
Die Argumente sind zwar ausgetauscht, trotzdem wird es noch einmal eine hitzige Debatte geben, wenn der Ortsbeirat 2 (Bockenheim, Westend, Kuhwald) in seiner heutigen Sitzung über die beiden Vorlagen zum Umbau von Grüneburgweg und Kettenhofweg zu fahrradfreundlichen Nebenstraßen abstimmt. Unumstritten sind die Pläne im Stadtteil jedenfalls nicht. Hauptkritikpunkte von Anwohnerinnen und Anwohnern wie Geschäftsleuten ist, dass zu viele Parkplätze wegfallen und die geplanten Diagonalsperren den Verkehr durch die Wohngebiete der Seitenstraßen leiten.
Dass nach dem Umbau rund 200 Stellplätze weniger zur Verfügung stehen, ist Fakt. Ob das gut oder schlecht ist, kommt auf die jeweilige Perspektive an – Autofahrer:innen ärgern sich darüber, während sich Radfahrer:innen und Fußgänger:innen über mehr Platz freuen. Dass der Zuschnitt der Verkehrsflächen geändert werden muss, bestreitet die CDU im Ortsbeirat nicht. Fraktionsvorsitzende Suzanne Turré übt aber Kritik am Kommunikationsstil der Stadt. „Es gab zwar eine Präsentation der Stadt, bei der die Pläne vorgestellt wurden. Auf die Argumente der Geschäftsleute und vieler Anwohner wurde hier aber nicht eingegangen“, sagt sie. Rückmeldungen zeigten, dass die Planung den Bedürfnissen der meisten Beteiligten nicht gerecht werde.
Damit schließt sich die CDU-Fraktion der Argumentation von Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, an. Ihm fehlt eine strukturierte Bürgerbeteiligung. Einzelhandel und Gewerbe seien bislang nicht aktiv in den Prozess miteinbezogen worden, obwohl die Umgestaltungen vielleicht existenzgefährdende Auswirkungen für sie haben könnten. „Die mangelhaft durchgeführte Bürgerbeteiligung grenzt berechtigte Interessen aus. Das gefährdet Akzeptanz und Erfolg von Umgestaltungen an sich“, warnt Nagel.
Die fahrradfreundliche Umgestaltung der Nebenstraßen gehe auf die Bürgerinitiative Radentscheid und einen Stadtverordnetenbeschluss zurück, entgegnet Kathrin Haus (Grüne). Entsprechend gesellschaftlich erwünscht sei die Umsetzung, die von der letzten Stadtregierung – mit Beteiligung der CDU – beschlossen worden sei. Die Stärke der Planungen sieht sie gerade darin, dass alle Interessen, auch die der Fußgänger:innen und Radfahrer:innen, berücksichtigt werden.
Es gebe keine Indizien dafür, dass die Umgestaltung geschäftsschädigend sei, so Haus. Ortsvorsteher Thomas Gutmann (Grüne) ergänzt: „Ich sehe keinen Sinn darin, das Verfahren durch immer neue Nebenschauplätze zu verlängern. Wir stimmen schließlich über provisorische Maßnahmen ab, die jederzeit zu ändern sind.“
Das hatte Stefan Lüdecke vom Verkehrsdezernat der Stadt Anfang September in den beiden Infoveranstaltungen mehrfach betont. Er hatte auch darauf hingewiesen, dass man offen für Anregungen oder Kritik sei. Dafür sei eigens eine E-Mail-Adresse eingerichtet worden. Zudem sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen nach und nach, nicht auf einmal, umgesetzt werden. Nach einer gewissen Erprobungsphase werde man reflektieren, ob sich Maßnahmen wie Diagonalsperren oder Multifunktionsstreifen bewährt hätten oder vielleicht doch wieder rückgängig gemacht werden. Für FDP-Fraktionsvorsitzende Sophie Hartmann klingt das plausibel. Die Kritik am Vorgehen der Stadt teilt sie aber dennoch.
Jetzt gehe es darum, den provisorischen Umbau und die Auswirkungen auf alle Beteiligten zu begleiten und zu überprüfen. „Die Situation in den Wohngebieten ist eine ganz andere als im Bereich des Einzelhandels“, sagt sie. Angesichts des Wegfalls von Parkplätzen sollte in dem Teil des Grüneburgwegs, an dem Einzelhandel und Gastronomie angesiedelt sind, der Fokus auf Kurzzeitparken und Lieferverkehr liegen. „Die Stadt könnte auch Kooperationen mit Parkhausbetreibern initiieren“, sagt sie. Die CDU fordert eine wissenschaftlich fundierte Prognose, wie sich das gesamte Verkehrsaufkommen nach Fertigstellung darstellt.
Bislang sei überhaupt nicht klar, wie sich der Wegfall von Parkplätzen auf die Geschäftssituation auswirke, sagt Turré und verlangt zudem belastbare Aussagen, wie sich die Änderung für Fußgänger:innen, vor allem auch für mobilitätseingeschränkte Personen darstellt.
Der Ortsbeirat 2 tagt am heutigen Mittwoch, 3. November, 19 Uhr im Plenarsaal Römer Besucher: Römerberg 23.
SICHERER RADFAHREN
Grundlage für die fahrradfreundliche Umgestaltung von Nebenstraßen in Frankfurt ist ein entsprechender Stadtverordnetenbeschluss. Vorausgegangen war eine Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative Radentscheid, die 2018 rund 40 000 Unterschriften gesammelt hat.
Insgesamt elf Nebenstraßen sollen auf 43 Kilometern sicherer für Radfahrer:innen werden. Neben Grüneburgweg gehören Robert-Mayer-Straße, Kettenhofweg, Oeder Weg, Frankenallee, Gutzkowstraße, Oberräder Fußweg, Nordendstraße, Moselstraße, Westendstraße, Daimlerstraße, Schielestraße, Brückenstraße, Zeuläckerstraße zum Programm. Erste Maßnahmen wurden kürzlich im Oeder Weg schon umgesetzt. bit