// 03. August 2023 //
Mittel für Deutschlandticket riskant platziert
Die Verkehrspolitik setzt Bundes- und Landesmittel neuerdings beherzt ein, ohne Commitment für den dringenden ÖPNV-Ausbau ist das kurzsichtig
Beherzt die Probleme anpacken, das wünschen sich alle. Aber vielen geht es dann doch zu schnell und informell mit dem Deutschlandticket. Gemeint sind die kommunalen Spitzenverbände, denen sauber durchgeplante Vorgaben bzw. alle Aspekte umfassende Erlasse, Verwaltungsvorschriften und entsprechende kommunale Satzungen noch fehlen. Warum sie so ängstlich sind? Die Kommunen sind diejenigen, die als Aufgabenträger die bestellte Verkehrsleistung letztlich auch dann zahlen müssen, wenn ihnen auf der Erlösseite die Erträge wegbrechen. Falls also die Mittel von Bund und Ländern nicht ausreichen oder die EU beihilferechtlich Einspruch (Wettbewerbsschutz!) gegen den 3 Mrd. Euro schweren Ausgleich erhebt, sind die Kommunen der berühmte Letzte, den die Hunde beißen.
Das Deutschlandticket ist in die Welt gesetzt und kommt bei den Nutzern gut an. Das soll es auch. Aber in der Folge resultieren Erlöseinbußen. Der vereinbarte Ausgleich von 3 Mrd. Euro jährlich ist nach Auffassung der Landkreis- und Städtetage und der Verkehrsbranche zu wenig (außer vielleicht im Rumpfjahr 2023). Gefordert wird: Die Politik soll ihre Beschlüsse auch verantworten und anfallende Erlösrückgänge ohne Deckel ausgleichen, also nachschießen, wenn die Lücke größer ausfällt als gehofft – und das bitte ohne Zeitverzug.
Bund und Länder haben den günstigen Tarif befohlen – über die Tarifhoheit der Verkehrsverbünde und die Finanzierungsbedenken der Aufgabenträger hinweg. Deren Bedenken sind berechtigt, denn die Erlöseinbußen werden deutlich sein: Nahezu alle herkömmlichen Monatstickets im ÖPNV sind teurer als das Deutschlandticket, bei fast allen Jahreskarten sind die monatlichen Kosten ebenfalls höher. Die gesamte Tarifstruktur bei den Verkehrsverbünden ist faktisch ausgehöhlt. Die Preise purzeln, dass den Verbünden und den Aufgabenträgern schwindelig wird.
Das vom Bund durchgesetzte Deutschlandticket zu 49 Euro als De-facto-Tarifvorgabe wird lang anhaltende Folgen haben. Eine gute Nachricht? Alles gut so?
Es ist unbestritten wichtig, mehr Mittel in den ÖPNV zu investieren und die Verkehrswende zu beschleunigen. Aber die Kritik, wonach das Deutschlandticket ohne Angebotsausbau nur für Ohnehin-Fahrgäste einen Tarifvorteil bietet und keinen Zugewinn an neuen ÖPNV-Fahrgästen bringt, trifft einen wunden Punkt. Die Ergebnisse der hoffentlich erfolgenden Evaluierung werden mit Spannung erwartet.
Aber noch ärger wäre: kein Angebotsausbau. Ist das die erschreckende Folge des Deutschlandtickets? Weil die Einnahmenseite geschwächt wird und der Zuschussbedarf erhöht wird, fehlen die öffentlichen Mittel für die Sicherung des Bestandsangebots und den weiteren ÖPNV-Ausbau, vor allem in der Fläche. Das ist nicht hinnehmbar. Wer A sagt, muss auch B sagen. Die ÖPNV-Gesetze müssen nochmals angepasst werden. Bund und Länder müssen sich bekennen und verpflichten, den Ausbau ebenso beherzt wie das Deutschlandticket voranzutreiben.