Wer in Frankfurt Elektroroller zur Miete anbieten will, soll sich künftig bewerben müssen

Frankfurt – Mit einer Ausschreibung will Frankfurt das Chaos bei den E-Scootern in den Griff bekommen. „Das machen wir und das bereiten wir gerade vor“, kündigte Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne) in der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschusses der Stadtverordneten an. Wann das umgesetzt wird und sich die Lage auf den Straßen bessert, ist allerdings noch offen.

Das sei „ein chronisches Elend“ auf Gehwegen, Plätzen und in den Parks, schimpft Hannes Heiler von der Frankfurter Behinderten-Arbeitsgemeinschaft (FBAG). „Permanent liegen die E-Scooter irgendwo in der Gegend herum.“ Oder Nutzer stellten sie auf Wegen, vor Eingängen, Treppen, Fahrstühlen so ab, dass man kaum oder gar nicht mehr durchkomme. Seit Einführung der E-Scooter im Jahr 2019 sei die Lage in der Stadt fast ständig unerträglich, aber „es ist bis heute nichts passiert“, kritisiert Heiler. „Wann kommt das endlich in Ordnung?“

CDU unterstützt Majer, Koalition dagegen

Auch Fußgängervertreter wie Bernd und Angelika Schneider von der Bürgerinitiative für sichere Gehwege haben sich über die Jahre mehrfach beklagt über die vielfach falsch geparkten und Wege blockierenden Leihfahrzeuge. „Das betrifft Fußgänger, Senioren, das betrifft alle“, erinnert Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Sie hat beantragt, dass die Stadt nun den Betrieb der E-Scooter per Ausschreibung an Firmen vergeben solle. Dadurch kann die Stadt die Zahl der E-Scooter und der Betreiber beschränken, Vorgaben beispielsweise für Ausleihstandorte machen – etwa an U-Bahn-Stationen in Außenbezirken – sowie die Betreiber zur Verantwortung ziehen. Grüne, SPD, FDP und Volt lehnen das aber ab. Das sei traurig, kritisiert Frank Nagel.

Umso überraschender bemerkt Dezernent Majer fast beiläufig: Der CDU-Vorschlag einer Ausschreibung sei „ein Weg, den wir perspektivisch auch gerne machen“. Die Stadt leiste „jetzt planerische Vorarbeit, um ausschreiben zu können“. Diese Lösung sei aber diejenige, die mit Abstand am längsten dauere. „Das hilft nicht, um kurzfristig etwas zu verbessern“, warnt der Stadtrat.

Für schnelle Lösungen gebe es zum Beispiel regelmäßig Runde Tische mit den Anbietern. Auch hat die Stadt eingeführt, dass Betreiber nun eine Sondernutzungserlaubnis brauchen, um ihre Roller anbieten zu können. Dabei hat die Stadt die Regel aufgestellt, dass die Fahrzeuge nicht in Parks sowie nicht im Umkreis von 100 Metern von ausdrücklich ausgewiesenen E-Scooter-Parkplätzen abgestellt werden dürfen.

Parkplätze und Regeln gibt es bisher nur innerhalb des Anlagenrings und im Bahnhofsviertel. „Das ist nicht machbar auf einen Schlag in der ganzen Stadt“, erklärt Majer, da ein Konzept für die Parkplätze nötig sei und diese angelegt werden müssten. Dass die Stadt noch nicht weiter vorangekommen sei, kritisiert Hannes Heiler scharf. Und selbst im Umfeld der E-Scooter-Parkplätze stehen viele der geschätzt stadtweit rund 12 000 Leih-Tretroller weiterhin wild auf Wegen herum.

 

Fotos vom korrekt abgestellten Roller

Ursache: Mehrere Betreiber lassen weiter zu, dass ihre Kunden die Fahrzeuge überall abstellen. Wenn das System beim Beenden der Miete per Ortung entdeckt, dass der Kunde im Parkverbot parken will, bekommt der Mieter zwar eine Warnmeldung. Er kann aber eine Auswahltaste drücken, wonach an der Stelle das Abstellen erlaubt sei, und so die Miete beenden – auch als Falschparker.

„Es gibt schwarze und weiße Schafe unter den Anbietern“, sagt Majer. So verlangten einige Anbieter von den Kunden inzwischen ein Foto vom korrekt geparkten Roller, um die Miete zu beenden. So etwas könne die Stadt per Ausschreibung für jeden Anbieter verbindlich vorschreiben.

Prinzipiell seien die E-Scooter ein sinnvoller Beitrag zur Mikromobilität, erinnert Majer. Er gesteht zu, dass es nicht ausreiche, was die Stadt bisher tue. Ursache sei, dass der Bund – damals Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) – beim Zulassen der E-Scooter im Straßenverkehr den Kommunen nicht genug Möglichkeiten zur Regulierung der Betreiber gegeben habe, etwa um das Fahren in Parks und Fußgängerzonen zu verbieten. „Es ist nicht gewollt vom Bund, dass wir schnell und klar steuern können“, sagt Majer.

Dass sich einige Nutzer rücksichtslos verhielten, „ist nicht zu verhindern“, findet FDP-Verkehrspolitiker Uwe Schutz. „Die Situation sei „für keinen zufriedenstellend“, die Mehrzahl der Nutzer aber halte sich an die Regeln. Den CDU-Vorschlag einer Ausschreibung lehnt er ab: „Da wird ein bürokratisches Monstrum aufgestellt“, etwa wenn von den Betreibern Nachhaltigkeit oder die Bezahlung der Mitarbeiter nach Tariflohn eingefordert werde – wie etwa den Juicern, die die Akkus der E-Scooter nachts laden.

„E-Scooter sind nur eine Minderheit auf den Gehwegen“ findet die grüne Mobilitätspolitikerin Katharina Knacker. Auch Autos müssten von den Bürgersteigen verbannt werden, da dürfe man nicht unterscheiden. „Gehwege gehören Fußgängern, sonst niemandem.“ Das Problem der E-Scooter sei akut sehr groß, erinnert Martin-Benedikt Schäfer (CDU). „Es geht darum, dass jedes Verkehrsmittel ordentlich abgestellt wird, egal welches.“ Für Autos gebe es Regeln, die müsse es auch für E-Scooter geben. Dennis Pfeiffer-Goldmann

KOMMENTAR

Auf den Schrottplatz mit dem E-Scooter-Egoismus

VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN

 

Eine gute Nachricht: Endlich ist ein Ende der E-Scooter-Anarchie auf den Straßen absehbar. Wie gut, dass der grüne Mobilitätsdezernent Majer mit der Ausschreibung jetzt auf eine nachhaltige Lösung setzt. Bis die greift, mag es noch dauern – aber alles ist besser als der bisherige Scooter-Schrecken ohne Ende.

Per Ausschreibung kann die Stadt nicht nur die Zahl der E-Scooter reduzieren. Sie kann diese auch gezielt in den äußeren Stadtteilen anbieten lassen, wo sie im Sinne der Mikromobilität sinnvoll, aber für die Betreiber weniger lukrativ sind als in der City. Mit Vorgaben und verantwortlichen Betreibern kann das Wildwest auf der Gass’ ein Ende haben, yippie! Ob das klappt, ist leider nicht sicher: Paris denkt aktuell darüber nach, E-Scooter ganz zu verbieten, weil sich die Lage trotz Ausschreibung nicht besserte. Frankfurt aber hat keine Alternative. Der bisherige Weg vermeintlich schneller Lösungen ist gescheitert. Und zwar daran, dass sich Scooter-Chaoten weiterhin weder um Rücksicht noch Regeln scheren. Und es tragen diejenigen Betreiber dazu bei, die offenkundig zu geringe Margen erwirtschaften – weshalb sie ihre Scooter weiterhin nicht gesellschaftsverträglich vermieten.

Nun heißt es Daumen drücken, damit Stefan Majer und die CDU auch noch die Koalitionäre von Grünen, SPD, FDP und Volt von der Ausschreibung überzeugen können. Denn ein Geschäftsmodell, das auf Kosten der Allgemeinheit bloß Egoismus und Spaß befriedigt, braucht in Frankfurt wirklich niemand. Das gehört auf den Schrottplatz.