Firmen und Arbeitnehmer drängen auf Sanierung
Frankfurt – Die Kritik an der schlechten Qualität vieler Industriestraßen reißt nicht ab. Die Stadt hat zwar die Sanierung einer ersten Buckelpiste nun angekündigt. Doch trotz breiter Forderungen nach schnelleren Sanierungen will die Stadt die Gelder sogar noch kürzen.
Dabei sind die Probleme deutlich zu spüren – wie in der Carl-Benz-Straße nahe des Osthafens. Täglich müssen dort die Fahrer der Bäckerei Eifler mit großer Vorsicht den Schlaglöchern auf dem Jahrzehnte alten Kopfsteinpflaster ausweichen. “Wenn man da nicht ganz langsam und vorsichtig fährt, fallen die Sahnerosetten von der Torte”, hatte Seniorchef Gerhard Eifler bereits im Spätherbst 2020 überaus anschaulich beklagt.
Schon 2017 hatte die vorige Koalition aus CDU, SPD und Grünen ein Sanierungsprogramm von 75 Millionen Euro für die Industriestraße angekündigt. Doch im aktuellen Haushaltsentwurf von Kämmerer Sebastian Bergerhoff (Grüne) ist davon überhaupt nichts mehr zu finden. Statt 75 Millionen sind für die Jahre 2021 bis 2025 in Summe lediglich 15 Millionen Euro verzeichnet.
“Zustand nicht mehr hinnehmbar”
Trotzdem hatte Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne) Mitte März angekündigt, dass mit der Franziusstraße im Osthafen die erste Sanierung starten solle. Von diesem September bis 2024 solle sie für 8,7 Millionen Euro erneuert werden und Fahrradspuren erhalten. Kurz darauf ruderte Planungschef Michael Wejwoda vom Amt für Straßenbau und Erschließung (ASE) aber zurück: Es kündigte im Mobilitätsausschuss der Stadtverordneten den Baubeginn in der Franziusstraße erst für “spätestens Frühjahr 2023” an.
Kein Wunder, dass in der Wirtschaft die Alarmglocken schrillen – und nicht nur dort. “Der Zustand der Straßen ist nicht mehr hinnehmbar”, schimpft Michael Erhardt, Erster Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Frankfurt. Den schlechten Straßenzustand “verstehen unsere Leute nicht”. Die Stadt müsse neben dem Bau von Radwegen auch für die Sanierung von Straßen in den Industriegebieten Geld ausgeben. Schon seit zwölf Jahren spreche man die Lage in der Carl-Benz-Straße an. “Wir brauchen Taten”, fordert Erhardt.
Die Metallarbeitnehmer stehen in einer bemerkenswerten Koalition: Sie bemängeln das fehlende Tempo bei der Industriestraßen-Sanierung zusammen mit Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer, Gewerkschaftsbund DGB, dem Verband Hessenmetall der Metall- und Elektro-Unternehmen und der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU). “Man kann inzwischen daran zweifeln, ob die Politik die Bedeutung der Industrie für Frankfurt wirklich wahrnimmt”, kritisiert der IHK-Präsident Ulrich Caspar. “Das Schattendasein der Belange der Logistik und des Güterverkehrs schadet letztlich dem Wirtschaftsstandort”, warnt Friedrich Avenarius vom Unternehmerverband. “Die gegenwärtige Beschaffenheit der Carl-Benz-Straße ist erbärmlich.”
Dennoch will die neue Regierung die Gelder sogar stark kürzen: von bisher jährlich sechs auf drei Millionen Euro, also nur noch halb so viel. Dann könne in der Franziusstraße sogar erst 2024 begonnen werden, befürchtet Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der Römerfraktion der CDU. Denn erst dann sei genug Geld vorhanden. “Die Koalition muss die Jahresraten ab sofort auf sechs Millionen Euro aufstocken, wie es 2017 angekündigt wurde”, fordert der Oppositionspolitiker deshalb.
Dezernent Majer weist die Kritik von sich. Bei seinem Amtsantritt vorigen Oktober “haben wir nichts vorgefunden, was wir nun umsetzen könnten”, wehrt er sich. In den vergangenen Jahren sei “nix passiert”. Er wolle “schauen, dass wir es ein Stück weit besser machen”.
Majer: “Alte Koalition hat nichts getan”
Die reduzierten Gelder bewertet Katharina Knacker, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, als ehrliche Politik: “Wir machen keine Versprechungen wie in der Vergangenheit.” Dass es nicht schneller vorangehe, liege vor allem daran, dass Planer fehlten. “Das Thema ist größer als die Industriestraßen”, sagt Stefan Majer. Im Verkehrsbereich müsse die Stadt “riesige Beträge” stemmen, etwa für den Bau der Stadtbahn-Strecke Regionaltangente West.
Nachdem die CDU bereits beantragt hat, wie versprochen jährlich sechs statt der vorgeschlagenen drei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, reagiert nun auch die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt – offenbar auf Drängen der Liberalen. Sie will aber lediglich um eine halbe Million auf jährlich 3,5 Millionen Euro aufstocken. “Damit können rechnerisch 100 Meter pro Jahr mehr saniert werden”, ist Christdemokrat Nagel enttäuscht.
Mehrere Pläne für Industriestraßen-Sanierungen seien “zurzeit in Bearbeitung”, erklärt das ASE und nennt einige am Oberhafen: die Carl-Benz-Straße, die Daimlerstraße sowie die Adam-Opel- zwischen Carl-Benz- und Ernst-Heinkel-Straße. Allerdings könne die Stadt nicht nur auf die Straßen schauen, betont Dezernent Majer. Denn es seien auch “Brücken in desolatem Zustand”.
Eine davon wird aktuell und bis Herbst bereits saniert: die Ratswegbrücke. Das hat massive Auswirkungen auch auf den Wirtschaftsverkehr im Osten: mit unendlichen Staus auf der Hanauer Landstraße. Stehen die Lieferwagen der Bäckerei Eifler darin, können zumindest die Rosetten nicht von den Sahnetorten herabfallen.
Frankfurt – Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, Frank Nagel, will den Bau von Fußgänger- und Radwegen parallel zur Trasse der Regionaltangente West (RTW) vorantreiben. “Durch Fuß- und Radwege entlang der RTW kann mit wenig Aufwand viel für überörtliche Fahrradrouten, aber auch für die Nahmobilität getan werden”, so Nagel. “Damit ließen sich neue attraktive Verbindungen für Fußgänger und den Radverkehr schaffen, die das Verkehrsangebot ausweiten und Alternativen zum Autoverkehr bieten. Diese Chance sollte unbedingt genutzt werden!” Zu dieser Idee des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Frankfurt hat die CDU einen Antrag gestellt, um den Arbeitsauftrag der RTW Planungsgesellschaft entsprechend auszudehnen. Die Realisierung der RTW ist eines der großen Projekte des öffentlichen Personen-Nahverkehrs im Rhein-Main-Gebiet. Sie soll einerseits den Hauptbahnhof und andererseits die westlich von Frankfurt fahrenden S-Bahnen entlasten. “Gerade im Frankfurter Westen fehlt es an überörtlichen Radrouten. Zum Beispiel können mit dem Neubau von Schienenbahnbrücken auch Radwege über andere Verkehrstrassen geführt werden”, so Nagel. “Ampel- und kreuzungsfreie Schnellwege entlang der RTW laden Pendler zum Umsteigen auf das Rad ein, vermindern Staus und führen zu besserer Luft.” Wenn dann noch die Bahnstationen als Bike-and-Ride-Knotenpunkte geplant würden, wäre die RTW Plus eine Regionalverbindung mit hoher Anziehungskraft, hofft Nagel. red