Bevor die autofreie Innenstadt kommt, braucht es ein Gesamtkonzept, fordern Händler in Frankfurt. 

  • SPD und Grüne fordern autofreie Innenstadt
  • Händler fordern Gesamtkonzept für eine neue Innenstadt
  • Bürger sollen nicht außen vor gelassen werden

Frankfurt. Mit dem Auto bis vor die Ladentür fahren, das könnte in der Frankfurter Innenstadt bald der Vergangenheit angehören. Die SPD strebt langfristig eine autofreie Innenstadt innerhalb des Alleenrings an.Geht es nach den Grünen, käme diese noch schneller. Nur noch in Ausnahmefällen wären dann Fahrzeuge in dem Gebiet erlaubt. etwa Lieferwagen, Anwohner oder Taxis.

“Wie soll ich denn dann auf die Zeil kommen’, fragt sich Claudia Bennings. Heute morgen ist sie mit dem Auto vom heimischen Bad Homburg auf die Zeil gefahren. Neue Schuhe möchte sie kaufen und eine Freundin auf einen Kaffee treffen.

“Ich schätze die Zeil gerade wegen der guten Erreichbarkeit’, meint Bennings. Öffentliche Verkehrsmittel kommen für sie nicht in Frage, dort fühle sie sich nicht immer sicher. ‘Mit dem Auto bin ich einfach unabhängiger und spontaner.”

“Für uns wird es dann wirklich schwierig”, meint auch Florian Klein vom “LichtCenter· in der Großen Friedberger Straße. Bisher sei es für die Kunden ganz einfach, in dem Laden für Beleuchtung einzukaufen: Direkt um die Ecke ist ein Parkhaus, zum Einladen der Ware hält der Kunde kurz vor der Tür.

“Bei kleinen Lampen sehe ich weniger ein Problem’, schätzt Klein. Diese könnte man per Hand transportieren. Doch bereits bei mittelgroßen Lichtquellen wird es schwierig: “Viele unserer Artikel sind sehr filigran’, erklärt Klein. ‘Beim Transport in Bus oder Bahn könnte es zu Beschädigungen kommen.’

Frankfurt: Mehr Investitionen in Nahverkehr erwünscht

 Bei großen Lampen ist es noch problematischer: ‘Versuchen Sie mal eine große Stehlampe in der U-Bahn zu transportieren1″, sagt der Lampenhändler und zeigt auf eine zwei Meter hohe Säule mit eingelassenen LEDs. “Unmöglich.”

Schon jetzt hat der Laden einen Lieferdienst. doch viele Kunden bevorzugen es. die Lampe direkt mitzunehmen. ‘Jede Lampe zu liefern, das ist für uns rein technisch gar nicht machbar”, meint Klein. ‘Wir müssten dann wohl einiges überdenken.’

Zwei Läden weiter, im “Wohnen und Spielen·, ist Martina Erden optimistischer. ‘Irgendwie kommen die Leute in die Innenstadt”, erwartet sie. In anderen Großstädten wie Mailand oder Turin gebe es ja auch keine Autos in der Innenstadt. Dort hätten sich die Kunden daran gewöhnt.

Autofreies Frankfurt: Angst wegen Bequemlichkeit

 “Die Angst davor kommt von der Bequemlichkeit’, vermutet Erden. “Für viele ist es schwer, sich ein Leben ohne Auto vorzustellen.’

Dabei könne man mit einem Blick ins Ausland viel lernen. ‘Die Schadstoffbelastung sinkt und die Lebensqualität steigt.” Der frei werdende Platz wird anderweitig genutzt. Doch um so etwas auch in Frankfurt zu ermöglichen, müsse man investieren. ‘Schauen Sie sich mal die öffentlichen Verkehrsmittel in Frankfurt an, da muss sich einiges tun.”

Die Forderungen nach einer autofreien Innenstadt hält sie für kurzsichtig. “Man fordert das mal. wirklich etwas getan wird dann aber nicht’, meint Erden. Das sei ganz typisch für Deutschland. ‘Bei den Elektrorollern war das ja auch so. Schnell werden die mal zugelassen, aber Gedanken darüber, wie man daraus ein stimmiges Konzept machen kann, die fehlen einfach”, hat sie den Eindruck. “Dass dann Leute unzufrieden sind, das ist verständlich.”

Autofreie Innenstadt für Frankfurt: “Man muss das realistisch betrachten”

Das sieht auch Joachim Stoll so. Er ist Vize-Präsident des Handelsverbandes Hessen-Süd und Inhaber von “Leder-Stoll’ in der Stephanstraße. “Der Begriff ,Autofreie Innenstadt’ bringt uns nicht weiter’, ist er überzeugt. “Wir stehen vor einer radikalen Änderung in den deutschen Innenstädten. Weniger Blech und mehr Grün wird dort definitiv dazugehören.’

Komplett verbannen möchte er den Autoverkehr allerdings nicht. “Aus unserer Sicht muss man das realistisch betrachten.’ Die wohlhabenden Personen aus den umliegenden Städten, die derzeit auf die Zeil zum Einkaufen fahren, würden nicht plötzlich auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, ist er überzeugt. “Genauso gibt es Leute, die etwa ihren Fernseher direkt mitnehmen wollen. Diesen Leuten müssen wir

Möglichkeiten bieten, etwa durch Parkhäuser.” Sonst drohten die Kunden komplett fernzubleiben, fürchtet Stoll. “Schon jetzt ist die Konkurrenz durch Einkaufszentren und das Internet groß.”

Vor allem fordert er ein Konzept für die neue Innenstadt. Mehr Grün, weniger Autos und mehr Platz für die Bürger seien erstrebenswerte Ziele, doch die Politik müsste sich über den Weg klar werden. “Wie soll der ÖPNV eine Alternative sein, wenn 20 ooo Bauvorschriften den Ausbau lähmen?’ Auch ”Vorbildstädte’ wie Kopenhagen  oder New  York hätten ihre Probleme,  etwa hohe Zahlen von Fahrradunfällen. “Wie wirkt es sich auf die Zeil aus, wenn dort 1000 zusätzliche Fahrräder unterwegs sind?’, fragt Stoll. “In Kopenhagen ist der Fahrradverkehr deutlich stärker geregelt als bei uns. Darüber müssen wir uns Gedanken machen.’

Vor allem dürfe man die Bürger nicht außer acht lassen. “Eine Veränderung von heute auf morgen, das funktioniert einfach nicht’. ist er überzeugt Man müsse die Sache Schritt für Schritt angehen und nach Lösungen suchen. “Kopenhagen ist da für mich kein Vorbild. Dort haben vor 30 Jahren Bürgermeister und Stadtplaner alles an einem Kaffeetisch beschlossen. Demokratisch war das nicht1”

Alexander Seipp