Mittwoch, 10. Februar 2021, Frankfurter Neue Presse / Lokales

Lückenschluss: U4 soll auf Uni-Campus halten

NAHVERKEHR – Oesterling schlägt finale Variante vor

Frankfurt Wird die Lücke der U4 zwischen Bockenheimer Warte und Ginnheim geschlossen, sollen die U-Bahnen direkt unter dem Campus Westend der Goethe-Universität halten. Diese Variante will Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) den städtischen Gremien als “strukturell beste” Lösung vorschlagen.

Fast 73 000 Fahrgäste täglich könnten 2030 ab Bockenheimer Warte mit der U4 im 5-Minuten-Takt nach Norden fahren. Im Tunnel würden die Züge erst unter den Adorno-Platz fahren und mitten auf dem Uni-Campus-Westend halten. Anschließend ginge es in der Nagel-Kurve – nach Ideengeber Frank Nagel benannt – zur Miquelanlage, dann oberirdisch zum Europaturm mit einer Haltestelle für die Bundesbank.

Schließlich führen die Züge unter der Hochstraße der Rosa-Luxemburg-Straße nach Ginnheim und zum Nordwestzentrum. Von dort würden die U4-Bahnen abwechselnd via Riedberg nach Nieder-Eschbach fahren oder als U1 über Heddernheim zurück in die Innenstadt und zum Südbahnhof.

Direkte Varianten am wirtschaftlichsten

Diese Lösung “bringt der Stadt strukturell am meisten”, sagt Oesterling. Er hat am Dienstag die Kosten-Nutzen-Untersuchung für den seit 1963 diskutierten Lückenschluss vorgestellt. Ergebnis: Alle Varianten sind volkswirtschaftlich sinnvoll, erreichen einen Faktor von mehr als 1,0. Nur dann übernehmen Bund und Land bis zu 90 Prozent der Kosten. Das beste Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3,1 bis 3,2 haben laut Gutachterbüro Intraplan aus München die Varianten, die auf direkter Linie nach Norden führen. Wegen kurzer Tunnel kosten sie bloß 162 bis 169 Millionen Euro. Zwei Bürgerinitiativen aus dem Westend und der Umweltverband BUND bevorzugen das.

Uni-Kurve hat “größte Zukunftsfähigkeit”

Oesterling lehnt diese Varianten ab: Viele Bäume müssten am Rand der Parks gefällt werden. Und baue die Stadt die millionenteure U-Bahn 700 Meter an der Uni vorbei, “sagen künftige Generationen doch, wir haben einen Sprung in der Schüssel gehabt”.

Nicht weiterverfolgen werde die Stadt die Ginnheimer Kurve, weil sie nicht realisierbar sei, erklärt der Dezernent. Die Kurven beim Umfahren des Geldmuseums seien zu eng, und die Bundesbank plane Bauten genau in der Trasse. Die Initiative “Rettet die U5” hatte die Lösung 2010 vorgeschlagen, um Uni, Bundesbank und Platensiedlung anzubinden. “Gar nicht so traurig” sei die Initiative über das Ergebnis, sagt Lutz Meißner. “Wichtig war uns immer der Lückenschluss.”

Den soll es mit der Nagel-Kurve geben. Die ist wegen des längeren Tunnels zwar mit rund 240 Millionen Euro teurer, erreicht “nur” Nutzen-Kosten-Faktor 2,0. Aber sie erzeugt täglich 17 000 zusätzliche ÖPNV-Fahrten, die Strecken ohne Uni-Kurve nur an die 16 000. Und: “Sie hat die größte Zukunftsfähigkeit”, findet Oesterling, da die Uni nach 2030 weitere Bauten plane, die noch nicht in die Bewertung einfließen konnten. Zudem verknüpfe die U4 dann die Uni-Standorte Westend und Riedberg, binde den Hauptbahnhof und die S6-Station Ginnheim an. Die Campus-Lösung biete auch die höchste Entlastungswirkung für die A-Strecke (U1, U2, U3, U8): Dort seien dann 32 000 Fahrgäste täglich weniger unterwegs. Dagegen drohe ohne die Campus-U4 der Kollaps, sagt Oesterling.

Nicht ganz: Rollt die U4 nicht via Uni, sondern direkt nach Norden, sind es auch 28 000 Fahrgäste weniger auf der A-Strecke. Linke, Ortsbeirat und BUND fordern schon länger zu prüfen, ob nicht besser die billigste U-Bahn-Lösung gebaut wird und dazu eine Straßenbahn im Reuterweg zur Uni.

Die Tram will der Dezernent “langfristig” zwar auch realisieren. “Sie ist aber keine Alternative für die 70 000 Fahrgäste der U-Bahn, das sind andere Verkehrsbedarfe”, sagt er. Studierende, Universitätsleitung und Industrie- und Handelskammer haben sich bereits für die U-Bahn-Station unterm Uni-Campus ausgesprochen.

Zu den Akten legt Oesterling auch den zuletzt von den Grünen ergänzten Vorschlag, den Grüneburgpark südlich zu umfahren: “Das hat keinen zusätzlichen Nutzen, verursacht aber höhere Kosten.” Dafür müsse der bestehende Tunnel an der Bockenheimer Warte angeknabbert werden. Das würde 80 Millionen Euro extra kosten. Dennis Pfeiffer-Goldmann

KOMMENTAR

Zukunftsfähig und auch noch billiger

VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN

Eine schwere Geburt! Vier Jahre lang brauchte Klaus Oesterling, um die Planung für den U4-Lückenschluss entscheidungsreif zu machen. Für das wichtigste Verkehrsinfrastrukturprojekt der Stadt ist das viel zu langsam. Denn die Verkehrsprobleme nerven täglich: die Überlastung der A-Strecke, das Loch im U-Bahn-Netz, der schlechte Anschluss der Universität. Und selbst jetzt sind noch zu viele Fragen unbeantwortet. Das zeigt die Nutzen-Kosten-Analyse: Ihr Ergebnis spricht für die kürzeste und billigste Strecke. Dass dieser Lösung plus Reuterweg-Straßenbahn nun das Wort geredet wird, ist logisch. Die Campus-Anbindung sei “zukunftsfähiger”, hält Oesterling dagegen. Er verschweigt, dass sie vor allem unterm Strich billiger ist: Eine Tramstrecke und zugehörige Straßenbahnwagen kosten viel mehr als die bei der U-Bahn-Strecke eingesparten 70 Millionen Euro. Karten auf den Tisch, Herr Dezernent! Und Schluss mit dem halbherzigen Geschwurbel.