U5 soll noch weiter westwärts fahren

Europaviertel-Tunnel fertig – Zeitplan eng für Römerhof-Strecke – später nach Höchst, Rödelheim?

Frankfurt – Deutlich nach Westen verlängert werden soll die U5 in den nächsten Jahren. Während im Europaviertel der erste Ausbauabschnitt inzwischen solide vorankommt, sind bei der geplanten Erweiterung zum Römerhof die Pläne noch in der Mache. Und erst recht, was eine noch weitere Verlängerung angeht – nach Nied, Höchst oder gar Rödelheim.

 

Es war der vielleicht wichtigste Meilenstein Anfang Juni: Die beiden Tunnel unter dem Europaviertel, zusammen 1700 Meter lang, sind fertig. Tunnelbohrmaschine Eva hat ganze Arbeit geleistet. Nun werden nach Angaben der städtischen Stadtbahn Europaviertel Projektbaugesellschaft (SBEV) unterm Platz der Republik bis Anfang 2022 die Anschlüsse zum bestehenden Tunnelstutzen hergestellt – bergmännisch, “sozusagen mit Hammer, Pike und Kleingerät”, erklärt Franziska Roth von der SBEV.

 

Die Trennwand zum alten Tunnel wird aber erst am Schluss beim Gleisbau durchbrochen. Aktuell wird am Güterplatz der neue Tiefbahnhof ausgehoben und gebaut. Danach ist der Weg frei für den Streckenbau, dessen Planung bis zur Endstation Europaviertel-West reicht.

 

Eröffnung gleich bis Römerhof noch möglich

 

Schon beschlossen ist, dass die U5 von dort ins künftige Wohnviertel am Römerhof weitergeführt werden soll. Aktuell laufe eine erste Planung dafür, es werde die Nutzen-Kostenuntersuchung erstellt, erläutert Roth. Dann wird ein Planfeststellungsbeschluss nötig, also die Genehmigung. Das sei für den Lauf des Jahres 2024 avisiert, sagt die SBEV-Sprecherin. So sei es noch möglich, dass die Stadtbahnstrecke nicht nur bis Europaviertel-West, sondern gleich bis Römerhof in Betrieb geht.

 

Für eine Verlängerung noch weiter nach Westen gibt es ebenfalls bereits mehrere Ideen. Einer davon hat die Stadt bereits eine Absage erteilt: die U5 als Zweisystembahn auf den Bahngleisen nach Nied, Höchst und Königstein zu führen. Nicht nur wären spezielle Züge dafür teuer. Auch fehle die Kapazität auf den Gleisen, hatte die Bahn abgewunken, und die Kapazität in den U-Bahn-Wagen, argumentierte die Stadt.

 

Idee zwei ist, die U5 neben der Bahnstrecke nach Nied und Höchst zu führen. Das sei sehr teuer bei nicht allzu großem Nutzen für Fahrgäste, erklärt Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD). Als Alternative dazu hat CDU-Verkehrsexperte Frank Nagel vorgeschlagen, die U5 via Mainzer Landstraße nach Westen zu schicken. Dazu müsste die U5 vom Römerhof aus knapp 750 Meter weit via Schmidtstraße oder Mönchhofstraße neu gebaut werden. In der Ausfallstraße selbst besteht bereits eine vom Straßenverkehr getrennte, stadtbahntaugliche Trasse.

 

Nagel sieht die größere Kapazität der U-Bahn als zentralen Vorteil für Griesheim und Nied gegenüber der Straßenbahn. Das wichtigste Ziel sei, die hochfrequentierte Tram-Strecke im Gallus zwischen Mönchhofstraße und Galluswarte zu entlasten. Das sei am besten möglich, wenn viele Fahrgäste aus den westlichen Stadtteilen mit der schnelleren U-Bahn via Europaviertel fahren, so Nagel.

 

Via Mainzer Landstraße die Trams entlasten

 

Die Straßenbahn könnte stattdessen vom Gallus her auf einer Neubaustrecke wieder zum Bahnhof Griesheim fahren, was im Nahverkehrsplan schon vorgemerkt ist. Ein Nachteil sei, dass Fahrgäste, die zum Beispiel von Nied zur Galluswarte wollten, nicht mehr durchfahren könnten, räumt Frank Nagel ein. “Sie können aber bequem am selben Bahnsteig an der Haltestelle Waldschulstraße von der U5 in die Straßenbahn umsteigen.” Allzu viele Menschen müssten aber gar nicht mehr umsteigen – weil die U5 ja schnell in die Innenstadt fährt, wofür bislang viele Tram-Fahrgäste heute an der Galluswarte in die S-Bahn wechseln, erinnert der Verkehrsfachmann.

 

Nicht nur: In etwas fernerer Zukunft werde ohnehin an der heutigen Straßenbahnhaltestelle Birminghamstraße ein neuer Umsteigeknoten zur S-Bahn entstehen, erinnert Frank Nagel. Denn dorthin will die Bahn die S-Bahn-Station Nied verlegen, sobald der neue Haltepunkt Nied-Ost an der Strecke der Taunus-Eisenbahn in Betrieb geht. In Nied-Ost sollen die Züge der Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn halten.

 

Dennoch sieht Dezernent Oesterling den Umsteigezwang in der Mainzer Landstraße kritisch. Trotzdem werde auch diese Lösung bei der aktuell laufenden Erstellung des neuen Gesamtverkehrsplans geprüft, erklärt er. Das gelte auch für eine weitere Option: die U5 vom Römerhof entlang der S-Bahn-Strecke nach Rödelheim weiterzuführen. “Es ist offen, was da herauskommt”, sagt Oesterling. Der Plan soll in den nächsten anderthalb Jahren öffentlich diskutiert und dann vom Stadtparlament beschlossen werden.

 

 

 

KOMMENTAR:

Verkehrswende mit Verspätung

VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN

 

Die West-Verlängerung der U5 kommt voran – langsam, aber immerhin. Die lange Dauer dieses Projekts darf die Stadt keinesfalls wiederholen, wenn sie es ernst meint mit der Verkehrswende.

 

Es sind inzwischen 15 Jahre vergangen, seit die ersten Häuser im Europaviertel emporwuchsen. 15 Jahre, in denen klar wurde, welch grandiose Gelegenheit die Stadt verpasst hat. Nämlich, die Stadtbahn gleich mit den ersten Häusern zu bauen. Oder, wie in Wien in der Seestadt Aspern, am besten noch vorher. Auch Bauarbeiter wollen schließlich zur Arbeit kommen. So etwas hat weder den Planungsdezernenten von der SPD in der Projektphase des Europaviertels gejuckt noch den grünen Verkehrsdezernenten während der Realisierung. Nun reagieren wieder beide Parteien. Sie haben die Gelegenheit zu beweisen, dass sie aus dem Fiasko gelernt haben.

 

Denn wer ernsthaft auf den Klimawandel reagieren will, muss den Menschen real verfügbare Alternativen zum Auto bieten – statt ihnen bloß primitive Verbote in den Weg zu stellen und Hürden wie die im Europaviertel fehlende U5. Im Ernst-May-Viertel, im Nordweststadtteil, im Gutleut, in Bergen, im Rebstock, am Schönhof: In jedem künftigen Baugebiet muss der attraktive Nahverkehr vom ersten Tag an vorhanden sein und nicht erst 19 Jahre später. Denn in dieser Zeit haben die Bewohner doch längst ihre Autos in den Tiefgaragen geparkt. Wer wartet schon gerne 9 986 400 Minuten auf die nächste Abfahrt?