Verkehr ist sein Herzensthema

Mit Klaus Oesterling verlässt der versierteste Fachpolitiker den Römer

Die neue Koalition in Frankfurt will Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) abwählen. Damit verlässt der versierteste Fachpolitiker und beste Redner die politische Bühne.

Zuletzt war er nach einer Covid-Erkrankung geschwächt. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Reden zu den Höhepunkten im Stadtparlament zählten. Vor allem in der Zeit als Fraktionsvorsitzender der SPD. Als Verkehrsdezernent musste er sich seit 2016 rhetorisch mäßigen.

Geprägt hat ihn sein Vater. Helmut Oesterling saß im Vorstand der Frankfurter SPD und war ehrenamtlicher Stadtrat; er arbeitete als technischer Betriebsleiter der Stadtwerke in einer Zeit, als die erste U-Bahn-Strecke in der Stadt gebaut wurde. Noch heute wird Oesterling junior auf seinen Vater angesprochen.

Oesterling junior ging zum Umlandverband, dem Vorgänger des Regionalverbands, und beschäftigte sich mit Verkehrsprojekten. 1989 zog er in die Stadtverordnetenversammlung ein, 2004 wurde er Fraktionsvorsitzender der SPD. Der Generalist konnte sich zu allen politischen Themen in Frankfurt äußern. Speziell zum Schienenverkehr, seinem Steckenpferd.

Als er das Verkehrsdezernat übernahm, ging ein Wunsch in Erfüllung. Oesterling arbeitete weiter an den Schienenprojekten, die schon seine Vorgänger beschäftigten und auch seine Nachfolger beschäftigen werden: der Regionaltangente West, dem Ausbau der U5 ins Europaviertel und nach Norden, dem Lückenschluss zwischen Bockenheim und Ginnheim. Im deutschen Verkehrsplanungsrecht dauert eben alles sehr lang. Die Verlängerung der Straßenbahn zum Bahnhof Höchst ist sein Herzensprojekt.

Den Radentscheid sah er lange skeptisch – als Politiker wollte er sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. Nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Radentscheid jedoch schwang er sich zum obersten Fürsprecher in der Sache auf. Die roten Radwege in Frankfurt – sie sind in ihrer Fülle erst unter Oesterling entstanden.

Die politische Konkurrenz schätzt ihn. „Er hat sein Herzensthema Verkehr schon immer gelebt und viele schienengebundene Projekte fortgeführt“, sagt Wolfgang Siefert (Grüne), der ab 2023 Verkehrsdezernent werden soll. Oesterling sei kenntnisreich und habe einiges angestoßen, sagt Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Römer. „Manches hätte er gerne noch realisiert.“

Oesterling, der 69 Jahre alt ist, und kein Auto besitzt, fährt zu Terminen und in den Urlaub stets mit Bus und Bahn. Damit steht er auch persönlich für die Mobilitätswende.

Klaus Oesterling (SPD, 69) ist seit 2016 Verkehrsdezernent in Frankfurt.