BOCKENHEIM – In der Hamburger Allee sind mehrere Optionen denkbar – Jetzt schon an Rebstock-Dippemess denken
Gute Nachricht für die Bäume entlang der 170 Meter langen eingleisigen Straßenbahn-Strecke in der Hamburger Allee: Sie können womöglich erhalten bleiben. FOTO: rüffer
Der Straßenbahn-Engpass in der Hamburger Allee kann womöglich ohne komplett zweigleisigen Ausbau aufgelöst werden. “Es sieht so aus, als reichen Umbaumaßnahmen, um den Straßenbahnverkehr abzuwickeln”, sagt Wolfgang Siefert, Referent für Verkehr von Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne) und dessen designierter Nachfolger. So könnten die Bäume neben der 170 Meter langen eingleisigen Strecke erhalten bleiben.
Alle fünf Minuten eine Trambahn
Seit mehr als 20 Jahren fordern die Anwohner und auch der Ortsbeirat den Erhalt der Bäume. Die Straßenbahnstrecke der Linie 17 in die City-West war seinerzeit deshalb westlich der Kreuzung Varrentrappstraße auf einem kurzen Stück zunächst nur eingleisig gebaut worden. Inzwischen aber plant die Stadt eine erhebliche Ausweitung des Verkehrs: Statt bisher alle 7,5 Minuten sollen ab spätestens 2025 alle fünf Minuten Trams zum Rebstockbad und in der Gegenrichtung rollen. Auch für die direkt zuvor in die Schloßstraße abzweigende Straßenbahnstrecke der 16 ist ein solcher Fünf-Minuten-Takt vorgesehen.
Um den Fünf-Minuten-Takt der Rebstockstrecke abzuwickeln, bedeute der kurze eingleisige Abschnitt kein Problem, erklärt Wolfgang Siefert. “Der Engpass ist der Knotenpunkt”, also der direkt östlich des eingleisigen Abschnitts gelegene Abzweig in die Schloßstraße. Bisher müssen Trams zum Rebstockbad vor der Kreuzung in der Haltestelle warten, bis der Gegenzug den eingleisigen Abschnitt passiert hat. Damit blockieren sie aber noch die Strecke in die Schloßstraße.
Aktuell arbeite man an einer konkreten Lösung, bestätigt der Referent. “Zurzeit laufen die Leistungsfähigkeitsprüfungen.” Wie genau die Lösung aussehen könne? “Ich kann noch nichts über Details sagen”, so Siefert. Wie aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen zu hören ist, könnte ein kurzes zweigleisiges Stück westlich der Kreuzung entstehen, damit die Richtung Rebstockbad fahrende Tram sofort Haltestelle und Abzweig räumen kann.
Ebenfalls wird über eine Gleisverschlingung nachgedacht: Statt das stadteinwärts führende Gleis über Weichen erst ins Gegengleis zu überführen und dann wieder zurück, würde ein Doppelgleis entstehen, bei dem Schienen aber direkt nebeneinander verlaufen. Der Platzbedarf für die Gleise beider Richtungen wäre dann nur minimal breiter als der des heutigen Gleises. Zugleich könnten Züge die Stelle schneller und sicherer passieren, da es keine Weichen mehr gibt.
Kritik an den Planspielen
Auch über solche Ideen mag Wolfgang Siefert noch gar nichts sagen. Aber: Egal wie die Lösung aussehe, sie müsse “auch im Betrieb stabil funktionieren”. Und der Referent betont: “Alle Überlegungen stehen unter dem Aspekt, die Bäume zu schützen.”
Die Planspiele rufen Kritik der Opposition hervor. “Hier darf nicht nur eine halbe Lösung entstehen”, mahnt Frank Nagel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer. “Wir müssen langfristig denken.” Rein rechnerisch reiche die Kapazität des eingleisigen Abschnitts zwar. “Aber das funktioniert nur, wenn alles planmäßig läuft, es läuft aber nicht alles immer perfekt.”
Eine Wartezone westlich der Kreuzung müsse lang genug werden, damit auch Züge in Doppeltraktionen dort fahren könnten, erinnert Nagel. Es genüge nicht, diese auf die Länge der heutigen, 30 Meter langen Wagen zu beschränken. Sollte tatsächlich der Festplatz vom Ratsweg an den Rebstock umziehen, sei diese Kapazität bei Veranstaltungen wie der Dippemess zwingend nötig. Und für Doppeltraktionen müssten 60 bis 80 Meter zweigleisig werden – das wäre bereits die Hälfte der eingleisigen Strecke.
Da zudem am Rebstock und auf dem ehemaligen Siemens-Areal sehr viele weitere Wohnungen gebaut würden, sei auch zu erwarten, dass schon bald entweder ein noch dichterer Takt oder Doppeltraktionen im Regelbetrieb nötig würden, ahnt der CDU-Politiker. Schließlich böten die langen Fahrzeuge mehr Kapazitäten ohne zusätzlichen Personalaufwand – da ja auch Fahrpersonal fehle.
Daher besteht Nagel darauf, die Strecke komplett auf zwei Gleise auszubauen. Die Bäume sollten dabei erhalten werden: “Sie können auf den Parkplatzstreifen versetzt werden.” Dass es technisch möglich sei, die Bäume zu versetzen, habe ein internes Gutachten der Stadt bereits bestätigt. “Das ist zwar ein Riesenaufwand, aber man sollte das versuchen”, findet der Verkehrspolitiker. Schließlich seien beide Vorhaben wichtig: Baum-Erhalt und Tram-Ausbau, sagt Frank Nagel. “Wir dürfen nicht eine ökologisch sinnvolle Sache gegen die andere ökologisch sinnvolle Sache ausspielen.” Dennis Pfeiffer-Goldmann
KOMMENTAR
Die doppelt sinnvolle Lösung
VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN
Bäume contra Straßenbahn – es ist an der Zeit, dass sich die Politik endlich traut, diesen Bockenheimer Streit aufzulösen. Natürlich sind die Bäume der Hamburger Allee wichtig und erhaltenswert. Das sehen, zu Recht, allen voran die Anwohner so. Sie profitieren vom kleinklimatischen Nutzen, wenn das Grün die Nachbarschaft herunterkühlt. Andererseits haben auch die Menschen, die in der City-West und am Rebstock wohnen oder dorthin ziehen, das Recht auf einen gut ausgebauten Nahverkehr. Fährt die Tram oft und bequem, werden weniger Menschen mit dem Auto fahren. Das wiederum nutzt allen. Ebenso wie Bäume letztlich dem Klima, also allen, nutzen. So sind tatsächlich beide Ziele erstrebenswert: die Alleebäume zu erhalten und die Straßenbahnstrecke auszubauen. Nun muss die Politik den vermeintlichen Widerspruch auflösen. Und sei es auf unorthodoxe Weise. Ob eine Gleisverschlingung hilft? Ob ein paar Bäume fallen und ersetzt werden müssen, damit ein kurzes Wartegleis möglich ist? Oder ob die Alleebäume gleich im großen Stil und für viel Geld versetzt werden? Im Verkehrsdezernat braucht es nun Mut für die richtige Lösung. Nämlich jene, die ökologisch doppelt sinnvoll ist.