Nach dem Riederwaldtunnel will der FDP-Bundesverkehrsminister vor den Toren Frankfurts die A5 ausbauen. Im Frankfurter Oberbürgermeisterwahlkampf wächst der Widerstand – entschieden wird aber in Berlin.
Den Riederwaldtunnel hat die Frankfurter Stadtpolitik so gut wie abgehakt. Seit die Polizei im Januar das Protestcamp von Umweltschützern im Fechenheimer Wald geräumt hat, steht dem mehr als 600 Millionen Euro teuren Lückenschluss zwischen A66 und A661 im Osten Frankfurts nichts mehr im Weg. Doch wenn es nach der Autobahn GmbH geht, wird es nicht das letzte Großprojekt im engmaschigen Frankfurter Autobahnnetz sein.
Eine Studie der Bundesbehörde befürwortet durchgängig den zehnspurigen Ausbau der A5 auf den fast 30 Kilometern zwischen dem Frankfurter Kreuz und der Anschlussstelle Friedberg – und sorgt damit für scharfe Ablehnung bei den Kandidaten von Grünen und SPD im Frankfurter Oberbürgermeisterwahlkampf. CDU-Bewerber Uwe Becker ist dafür, doch die Unionsfraktion im Römer zeigt sich ebenfalls skeptisch. Auch die A3 ist noch Teil der Debatte. Dort wird der Ausbau des Offenbacher Kreuzes geplant.
Der Ausbau der A5, die zu den meistbefahrenen Autobahnen in Deutschland zählt, ist im sechs Jahre alten Bundesverkehrswegeplan als „vordringlich“ eingestuft – aber kleiner dimensioniert. Zwar sind für die zehn Kilometer zwischen dem Frankfurter Kreuz und Nordwestkreuz zehn Spuren vorgesehen. Die Autobahn GmbH kommt aber nun in einer Untersuchung vom Mai vergangenen Jahres zu dem Ergebnis, dass auch der Abschnitt vom Nordwestkreuz bis zur Anschlussstelle Friedberg wegen des „hohen zukünftigen Verkehrsaufkommens“ zehn Spuren erhalten sollte. Derzeit sind es sechs – im Berufsverkehr inoffiziell sogar acht. Die beiden Standstreifen werden in den Stoßzeiten freigegeben.
Sorgen in den anliegenden Stadtteilen
„Die Kapazität einer achtstreifigen Strecke reicht für den zukünftigen Verkehrsbedarf nicht aus“, heißt es dazu von der Niederlassung West der Autobahn GmbH in Darmstadt. Die Behörde, die für das von Volker Wissing (FDP) geführte Bundesverkehrsministerium die Autobahnen verwaltet, begründet ihre Ansicht mit dem „dynamischen“ Wachstum von Bevölkerung und Verkehr im Rhein-Main-Gebiet sowie dem Flughafen.
Im „Bundesverkehrswegeplan 2030“ ist noch von künftig acht Spuren zwischen Nordwestkreuz und Anschlussstelle Friedberg die Rede. Der Bedarfsplan für Deutschlands Verkehrsinfrastruktur war 2016 noch vom alten schwarz-roten Bundeskabinett und Bundestag beschlossen worden. Derzeit streitet die Ampelkoalition in Berlin heftig darüber, wie und was davon umgesetzt werden soll.
Acht Spuren gibt es auf der A5 bereits auf der sechs Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurter Kreuz und dem Westkreuz. Für die Erweiterung dieses Abschnitts um zwei weitere Streifen laufen bereits Vorplanungen – wie auch für den Ausbau der 1,2 Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurter Westkreuz (A5/A648) und Nordwestkreuz (A5/A66) von sechs auf zehn Spuren. Die bundeseigene DEGES, die die Straßenprojekte realisiert, plant außerdem den Ausbau von Westkreuz und Nordwestkreuz. Im nächsten Schritt soll es um die Varianten bei der Umsetzung des Projekts gehen, wie eine Sprecherin sagt.
Bis zu dem Planfeststellungsverfahren, in dem neben den betroffenen Kommunen auch Naturschutzverbände oder Anwohner angehört werden, kann es zwar noch dauern. Doch die Bewohner im Frankfurter Westen der an die A5 grenzenden Frankfurter Stadtteile Goldstein, Nied und Sossenheim sind jetzt schon seit Monaten höchst beunruhigt. In dem für den Frankfurter Westen zuständigen Ortsbeirat 6 gab es im Dezember eine heftige Debatte.
Kein Ausbau mit den Grünen und der SPD
Doch möglicherweise spielt die Meinung der Anwohner künftig ohnehin keine Rolle mehr, wenn Bundesverkehrsminister Wissing seine Pläne zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren in der Infrastruktur durchsetzt. Der FDP-Politiker will den allseits beklagten Bürokratiestau in Deutschland mit neuen Gesetzen aushebeln. „Wegen des überragenden öffentlichen Interesses“ will er nicht nur die Genehmigung von Stromtrassen und Windrädern oder Bahnstrecken erleichtern, sondern auch den Neubau von Autobahnen. Dagegen verweigern sich jedoch die Grünen in der Berliner Ampel. Seit Monaten streiten sich die Koalitionspartner um die Details für die Beschleunigung von Planungsverfahren.
Die Grünen halten außerdem einen Großteil der über 100 Autobahnprojekte, die Wissing zur Realisierung im Bundesverkehrswegeplan übernommen hat, für überholt. Angesichts der besonderen Rolle des Autos als Verursacher der klimaschädigenden Treibhausgase wollen sie die Investitionen umlenken. „Das passt nicht mehr in die Zeit“, sagt die Frankfurter Oberbürgermeisterkandidatin der Grünen, Manuela Rottmann, zum Ausbau der A5. „Es kommt jetzt darauf an, dem Bund klarzumachen, dass wir das nicht wollen“, fordert die Bundestagsabgeordnete. Deutschland könne „nicht das ganze Geld in die Straße versenken, was wir für Schiene und andere Verkehrsmittel brauchen“. Die Frankfurter Grünen haben sich bereits Ende vergangenen Jahres in einer Erklärung eindeutig gegen einen weiteren Ausbau von A5 und A3 rund um Frankfurt positioniert.
Auch SPD-Oberbürgermeisterkandidat Mike Josef hat dazu eine klare Ansicht: „Das wird es mit uns nicht geben“, sagte er, als die Initiative Klimaentscheid der Römer-Koalition mehr als 23.000 Unterschriften zur Forcierung der Verkehrswende in der Stadt übergab. „Das Letzte, was wir brauchen nach der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, ist der Ausbau der A5.“
Was er damit meint: Der Ausbau von Straßen zieht auch immer mehr Verkehr nach sich – eine alte Erkenntnis der Verkehrsforscher. Die Stadt Frankfurt will aber nicht noch mehr Pendler mit dem Auto anlocken. Derzeit versucht die Römer-Koalition einiges, um den Individualverkehr in der Pendlermetropole einzudämmen und andere Verkehrsträger auszubauen. Josef dürften die A5-Ausbaupläne aber auch deswegen so schmerzen, weil er als Frankfurter Planungsdezernent direkt östlich von der A5 zwischen Nordwestkreuz und Bad Homburger Kreuz einen neuen Frankfurter Stadtteil („Josefstadt“) mit Tausenden von Wohnungen plant.
„Leistungsfähige Hauptstraßen“ für fließenden Verkehr
Die Hessen-FDP fordert seit Längerem den Ausbau der A5 – und stärkt damit ihrem Minister in Berlin den Rücken. Frankfurt brauche „leistungsfähige Hauptstraßen“ wie die Autobahnen, damit der Verkehr abfließen könne, sagt auch Oberbürgermeisterkandidat Yanki Pürsün von der FDP. Der Ausbau solle jedoch grundsätzlich „stauabhängig“ erfolgen.
CDU-Kandidat Uwe Becker hat sich bereits festgelegt: Für ihn gibt es zum zehnspurigen Ausbau der A5 wegen des auch künftig wachsenden Lkw-Verkehrs in der EU keine Alternative. Sonst werde der Verkehr am Frankfurter Kreuz „zusammenbrechen“. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, Frank Nagel, gibt sich dagegen deutlich zurückhaltender. „Wir sind skeptisch, wollen aber keine Vorverurteilung.“ Die Machbarkeitsstudie der Autobahn GmbH sei noch nicht im Detail bekannt. Außerdem sei unklar, was Bundesverkehrsminister Wissing mit der Beschleunigung der Planungsverfahren genau vorhabe.
Die CDU-Fraktion werde abwarten und dann „streng sachorientiert“ entscheiden. Besonders wichtig sei der Lärmschutz. Für die Anwohner könne ein Ausbau sogar vorteilhafter sein als noch mehr Verkehr im Istzustand, meint Nagel. Denn der Bund übernehme nur bei einem Ausbau die Kosten für die Lärmschutzwände, lautet sein finanztechnisches Argument.
Neben der A5 geht es in Frankfurt auch noch um die A3. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 wird der Ausbau der A3 zwischen Offenbacher Kreuz und der Anschlussstelle Hanau auf acht Streifen ebenfalls „vordringlich“ genannt. Doch jetzt ist zunächst nur der Um- und Ausbau des Offenbacher Kreuzes geplant. Allerdings soll dort die A3 ebenfalls auf acht Spuren verbreitert und sollen die Zufahrten zweispurig werden. Denn der Verkehr, so heißt es, soll besser fließen können, damit es künftig weniger Staus sowohl in Richtung der Anschlussstelle Frankfurt-Süd wie auch in Richtung Obertshausen gebe, heißt es seitens der Autobahn GmbH. Diese plant aber weiterhin den achtspurigen Ausbau der A3 zwischen dem Flughafen und dem Mönchhof-Dreieck.
Straßenbauprojekte auf Klimatauglichkeit prüfen
Die veränderte Planung rund um das Offenbacher Kreuz hat die Debatte um den achtspurigen Ausbau der A3 vorerst auf Eis gelegt und damit entschärft. Die Umorientierung basiert auf einer Machbarkeitsstudie, die noch die landeseigene Hessen Mobil erstellte. Diese hat bis Anfang 2021 auch Hessens Autobahnen betrieben. Danach hat der Bund mit der neu gegründeten Autobahn GmbH die Verwaltung zentral übernommen.
In der laufenden Auseinandersetzung um den Ausbau der A5 sieht sich Hessens grüner Verkehrsminister Tarek Al-Wazir daher aus dem Schneider. Er empfiehlt aber dem Bund, „das Prinzip Sanierung vor Neubau“ zum Grundsatz zu machen. „Dann gäbe es immer noch genug zu tun“, lässt er mitteilen. Wie es mit der A5 weitergeht und ob der Ausbau überhaupt noch verhindert werden kann, wird sich in Berlin in den kommenden Monaten entscheiden. Zum einen will der Koalitionsausschuss der Ampel im Streit um die Beschleunigung der Planungsprozesse bei Infrastrukturprojekten im März eine Lösung finden. Außerdem nimmt das Verkehrsministerium den Bundesverkehrswegeplan nochmals unter die Lupe.
In der sogenannten Bedarfsplanüberprüfung (BPÜ) müssen bis Ende dieses Jahres die vorliegenden Pläne an die aktuelle Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung angepasst werden. Dabei sollen im Gesamtplan auch „neue Kriterien“ zum Beispiel zum Klimaschutz miteinfließen. Umweltschutzverbände fordern, alle Straßenbauprojekte auf ihre Klimatauglichkeit zu überprüfen. Im Bundesverkehrsministerium wird jedoch betont, es sei nicht vorgesehen, in den nächsten Monaten einzelne Projekte nochmals neu zu bewerten. Das könnte bedeuten, dass der Protest aus Frankfurt gegen den Ausbau der A5 möglicherweise zu spät kommt. Offen wäre dann nur noch, ob es durchgängig bis Friedberg zehn Streifen werden. Thomas Maier.