Vom Pferdewagen auf die Schiene
Blick hinter die Kulissen lässt die Herzen der Bahn-Fans höherschlagen
Frankfurt – Eckenheim. Es ist wie eine abenteuerhafte Zeitreise ins VGF-Depot aus dem Jahr 1911. Auf dem Hof sprühen glühende Funken beim Schweißen von Schienen, am Glücksrad ist eine endlos lange Schlange. Wird es ein Lolly, eine Mundharmonika oder eine Frisbee-Scheibe? Oder wird es einer der beiden Hauptgewinne: Die Fahrt mit dem Giraffen-Steiger auf 22 Meter Höhe oder die Fahrt mit der Pferdebahn? Goliath (13) ist bereit. Die Ohren gespitzt, wartet der Leichtkaltblutschimmel darauf, dass Besucher in die grüne historische Pferdebahn einsteigen, es bimmelt und er sie ein Stück weit durch die riesige Halle ziehen kann. Daniel Kaya (23) trägt eine Original Schaffneruniform aus reiner Schurwolle. Um den Hals hängt ein schwerer Münzapparat. „Es ist heiß“, sagt der Mann, der eigentlich Azubi als S-Bahn-Lokführer ist, lachend. „Ohne Herkunft gibt es keine Zukunft“, ist er sicher und stolz darauf, so schick in die historische Rolle schlüpfen zu können.
Resonanz ist riesig
Auf Hof und in Halle drängen sich die Besucher. Es blinkt in orange und blau. Die VGF-Farben türkis und gelb machen gute Laune, der Duft von Waffeln, Bratwurst und Kaffee passen zum zweitägigen Familienfest zum Tag der Schiene. Matthias (48) hat einen Zollstock dabei und ist extra aus Rüsselsheim gekommen. Er misst eine beige historische Bahn aus. „Ich will sie nachbauen und Fotos reichen mir dafür nicht“, sagt er über sein neues Hobby. „Es wird meine erste Bahn.“ Der dreijährige Sohn eines Trambahnfahrers steuert seinen Miniroller genau über die Schienen. „Er findet Bahnen toll. Der Nachwuchs ist sicher“, kommentiert der Papa. Straßenbahnen und U-Bahnen werden inspiziert, fotografiert und bestaunt. Der Bahn-Babo ist mittendrin und erzählt von seinen Erlebnissen in der Straßenbahn. Familien und Bahn-Fans geben sich ein Stelldichein.
„Die Resonanz ist riesig. Das ist ein schönes Gefühl“, sagt Frank Nagel, der 1. Vorsitzende des Vereins Historische Straßenbahn der Stadt Frankfurt am Main, begeistert. Er ist ununterbrochen im Gespräch mit Liebhabern und beantwortet geduldig unzählige Fragen. Ruhe ist nur ganz hoch oben auf dem Hubsteiger. Jonas Kramer (22) ist im normalen Leben Vorarbeiter bei den Fahrleitungen und inspiziert die Oberleitungen. Jetzt lässt er weit blicken. Auf die gigantischen Glasdächer des Depots, auf das Gewusel beim Fest und auf die weit entfernte Skyline. Auf 22 Meter Höhe fährt er die Besucher, die eine Fahrt mit dem Giraffen-Steiger gewonnen haben. Eine VGF-Drohne steigt noch höher und filmt das Vergnügen. Manchmal bleibt sie auf Höhe des Wagens in der Luft und neigt sich zu den Leuten zum schwebenden Winkgruß. Es ist ein besonderes Wochenende für alle, die gerne Bahn fahren. Im Europaviertel geht es in den Baustellentunnel beim Projekt „Stadtbahn Europaviertel“, oberirdisch gibt es Fahrten mit historischen Straßenbahnen zwischen dem Depot Eckenheim und dem Hauptbahnhof. In und rund um die Hallen ist alles zu besichtigen, was die VGF an Fahrzeugen zur Verfügung hat.
„Easy“ kommt gut an bei den Leuten
Ein bisschen verschämt steht „Easy“, der Electric Autonomous Shuttle, am Rande neben Büchern, Spielzeugzügen und Kuscheltieren mit VGF-Schals. Das knuffige Gefährt mit sechs Sitzplätzen war letztes Jahr im Probebetrieb im Riederwald und wurde auch am Mainufer vorgeführt. Jetzt steht es still. Die Fördergelder für das High-Tech-Gefährt sind weggefallen. Tom (12) steigt gut gelaunt ein und nimmt auf dem Mittelsitz in Fahrtrichtung Platz. „Der ist cool. Mit dem würde ich gern zur Schule fahren“, sagt er begeistert. Easy ist gut angekommen bei den Leuten im Riederwald. Dass er nur über eine App gerufen werden konnte, war für ältere Leute ohne Smartphone bedauerlich, aber die kostenlosen Fahrten mit dem selbstfahrenden Easy haben alle genossen. Mit einer Akkuladung kann er 18 Kilometer weit fahren. Ein Schaffner war stets dabei, um notfalls eingreifen zu können. Die Besucher hoffen, dass Easy durch Stadtteile schwebt, die nicht so gut mit Bahn und Bus ausgestattet sind. „Damit kann man zum Einkaufen fahren oder zur Haltestelle. Der ist so klein, dass er überall durchkommt“, kommentiert Kirsten (68), die mit ihren drei Enkeln zwischen drei und sieben Jahren aus dem Riederwald ins Depot gekommen ist. „Wir wollen alles sehen und erleben. Die Pferdebahn, die historische Straßenbahn und die Zukunft der Bahn.“