Streit über Fahrradstraße: Frankfurter Gewerbetreibende beklagen Umsatzrückgang

Eine IHK-Umfrage zeigt: Einzelhandel und Gastronomie im Frankfurter Grüneburgweg verzeichnen nach dem Umbau zur Fahrradstraße deutliche Verluste.

Frankfurt – Die Stimmung in der Weinhandlung Westlage ist an diesem Donnerstag aufgeladen: Die Vizechefin der IHK, Susanne von Verschuer, fordert einen Rückbau der Fahrradstraße im Grüneburgweg, Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP) findet, dass dies durchaus eine Option sei. Denn laut einer Unternehmens-Befragung der IHK kämpften Einzelhandel und Gastronomie mit „zum Teil existenzgefährdenden Umsatzrückgängen“: 44 aller in Erdgeschossen ansässigen Unternehmen (64 gäbe es insgesamt) seien im Frühjahr befragt worden, darunter 17 Einzelhändler:innen und 15 Gastronom:innen. Von diesen Unternehmen, die dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in der Stadt positiv gegenüberstünden, gaben 22 an, sinkende Umsätze zu verzeichnen: Das Minus reiche von fünf bis 35 Prozent. Für zwei Drittel der betroffenen Unternehmen sei der Umsatzrückgang durch die Umgestaltung des Straßenraums begründet. Nur drei Unternehmen verzeichneten einen steigenden Umsatz, lediglich ein Gastronom führe dies positiv auf die Straßenumgestaltung zurück.

Andreas Dresch, Inhaber der Weinhandlung Westlage und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Grüneburgweg, betont an diesem Tag, dass sich die Lage in der Straße verschlechtert habe: „Uns wurde vom Mobilitätsdezernat eine Flaniermeile versprochen. Es kommen nicht nur viel weniger die Kunden mit dem Auto, sondern auch viel weniger Fußgänger sind auf der Straße.“ Er sei besonders frustriert, weil das Mobilitätsdezernat und der Ortsbeirat weder vor dem Umbau noch jetzt auf die Vorschläge und Sorgen der Gewerbetreibenden eingegangen sei.

Gewerbetreibende vermissen Parkplätze am Frankfurter Grüneburgweg

Can Badan, Geschäftsführer des Badan’s Frischemarkt im Grüneburgweg, berichtet Ähnliches. Er habe zudem einen zusätzlichen Fahrer einstellen müssen, der Lieferfahrten mache. Durch den Umbau dauerten die Fahrten länger (mehr Benzinkosten“). Gerade viele ältere Kundschaft, die aufs Auto angewiesen sein und nicht so internetaffin seien, um online zu bestellen, fehlten die Parkmöglichkeiten. Er fordert, dass die Stadtpolizei mehr kontrollieren müsse, wenn Autofahrer:innen verbotenerweise die Lieferzonen als Parkplatz nutzen.

Der mobilitätspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Nagel, fordert wie er später mitteilt, ein 90-Tage-Paket mit konsequentem Vollzug und geringer Bürokratie und einer „testweise Öffnung der Diagonalsperren, mehr Kurzzeitparken, mehr Lieferzonen, Schwerpunktkontrollen der städtischen Verkehrspolizei, damit Lieferzonen und Querungen freigehalten werden“.

Ab 2022 wurde der Grüneburgweg zur fahrradfreundlichen Nebenstraße umgestaltet. Laut einer Studie mit Videoaufnahmen der Frankfurt University of Applied Sciences ist der Verkehr seit dem Umbau sicherer geworden. Es gibt weniger Radfahrende auf dem Gehweg. Laut Badan sei dies aber nicht das, was er im Alltag beobachte. „Es fahren weiterhin Radfahrer auf den Gehwegen. Das sollte eigentlich weniger werden. Das zeigt, dass der Umbau nicht so effizient war. Auch die müssten Strafzettel bekommen.“ Einen Rückbau fordert er nicht ( „der Fahrradtrend wird immer größer und ist auch gut für die Umwelt.“), aber eine Modifizierung. Es sollten einige der Fahrradparkplätze wieder als Parkplatz umgebaut werden. Und: Die Diagonalsperre solle wieder entfernt werden, sodass man den gesamten Grüneburgweg wieder durchfahren könne.

Ärger am Frankfurter Grüneburgweg: „Konstruktive Gespräche sind nicht möglich“

Nicht nur er und Dresch fühlen sich vom Mobilitätsdezernat nicht gehört- auch die Vizechefin der IHK von Verschuer und Wirtschaftsdezernentin Wüst beklagen, einen fehlenden Dialog.„Konstruktive Gespräche sind nicht möglich“, sagt Wüst. Ihre Partei, die FDP-Fraktion, fordert die Stadt auf, den im Beschluss zur Fahrradstadt verankerten Rückbau-Mechanismus zu aktivieren.“ Die FDP hatte im Sommer die Römer-Koalition mit Grünen, SPD und Volt verlassen. Zuvor hatte es innerhalb des Bündnisses immer wieder Streit gegeben – nicht zuletzt über die Verkehrspolitik.

Katharina Knacker (Fraktionschefin der Grünen) teilt mit: „Wir nehmen die Sorge der Gewerbetreibenden sehr ernst. Wir waren auch schon gemeinsam mit dem Ortsbeirat vor Ort und haben Lieferzonen angepasst.“ Wiebke Lang, Sprecherin das Mobilitätsdezernat, widerspricht, der Aussage von Wüst, dass sie sich der Kommunikation verweigerten: „Es gab eine Routine zwischen dem Wirtschaftsdezernat und dem Mobilitätsdezernat, die Frau Wüst 2024 allerdings regelmäßig abgesagt hat. Auch gab es in den letzten Monaten keinerlei Anfragen von ihr.“ Mit der IHK gäbe es einen monatlichen Austausch. Und sie betont: „Wir verstehen die Sorgen der Gewerbetreibenden gut, deshalb haben wir sie regelmäßig eingebunden.“ Sie seien auch bereit zum weiteren Austausch: Aber die Fahrradstraße sei Teil des Fahrradstadtbeschlusses. „Wollen die Bürger:innen die Diagonalsperre mehrheitlich entfernen, müssten die Stadtverordneten erst einen demokratischen Beschluss herbeiführen, mit dem die Fahrradstraße wieder rückgängig gemacht würde.“

Lang betont: „Wir verstehen die Sorgen der Gewerbetreibenden gut, deshalb haben wir sie regelmäßig eingebunden.“ Man sei weiterhin bereit zum Austausch: Aber die Fahrradstraße sei Teil des Fahrradstadtbeschlusses. „Wollen die Bürger:innen die Diagonalsperre mehrheitlich entfernen, müssten die Stadtverordneten erst einen demokratischen Beschluss herbeiführen, mit dem die Fahrradstraße wieder rückgängig gemacht würde.“

Von: Kathrin Rosendorff